Spanien debattiert Rückkehr zur Pesete

Nachdem nun auch das große Katalonien Milliardenhilfen braucht, steht ein umfassender Rettungsantrag nun Spanien bevor

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Nach der Pleite-Region Valencia und dem kleinen Murcia hat nun die wirtschaftlich stärkste Region im spanischen Staat angekündigt, Rettungsmilliarden zu benötigen. Mit dem Absturz Kataloniens gehen nun alle Experten davon aus, dass das viertgrößte Euroland schon im August nach Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm gehen wird. Dass es nicht bei einer Bankenrettung mit bis zu 100 Milliarden Euro bleiben würde und die Zeit für Spanien definitiv abläuft (Die Zeit für Spanien läuft ab), ist eigentlich seit langem klar.

Der El Economista titelt heute: "Die Rettung Spaniens ist unabwendbar" und zitiert im Text zahlreiche Experten. Doch man muss kein Experte sein, um das vorhersagen zu können, denn die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen haben alle Schranken durchbrochen. Die Zinsen für zehnjährige spanische Anleihen haben sich nach der katalanischen Ankündigung sogar auf Renditen von fast 8% zubewegt. Damit wird das Land vom Zugang zu den Kapitalmärkten abgeschnitten.

Auch Wirtschaftsblätter in Deutschland rechtfertigen die extremen Zinsen damit, dass schon ein Schuldenschnitt nach etwa zwei Jahren eingepreist werde. Als Beispiel dient dafür Griechenland. Doch alles weist seit Monaten darauf hin, dass auch Portugal bald einen Schuldenschnitt braucht. Man muss sich nur die neuesten Zahlen von Eurostat anschauen. Obwohl das Land angeblich so erfolgreich bei der Reduzierung des Haushaltsdefizits ist (Portugal trickst bei Sparzielen), rückt Portugal Staatsverschuldung zu Italien und Griechenland auf. Sie ist nun im ersten Quartal 2012 auf fast 112% der Wirtschaftsleistung angestiegen. Vor einem Jahr lag sie noch bei 94,5%. Die große spanische Tageszeitung El País hebt auch darauf ab, dass im Land längst alle Szenarien debattiert würden, auch die Rückkehr zur Pesete. Während die spanische Regierung wieder einmal dementiert, dass konkrete Diskussionen um die umfassende Rettung auch gestern in Berlin geführt wurden, glaubt an diese Dementis im Land praktisch niemand mehr. Zu schwer wiegt, dass im Juni auch die begrenzte Bankenrettung über den temporären Rettungsfonds (EFSF) vehement verneint wurde, die dann wie erwartet doch beantragt wurde (Spanien stellt Nothilfe-Antrag). Damit verspielte die Regierung in nur sieben Monaten fast vollständig das Vertrauen.

Durch den Sparkurs hat sich die Rezession verschärft

In der gemeinsamen Erklärung, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Wirtschaftsminister Luis de Guindos nach dem Treffen abgeben haben, wird die Spanien-Rettung nicht einmal mehr dementiert. Das ist neu, denn das war bisher im Fall Griechenland, Irland und Portugal anders. Erklärt wird nur, dass man die Zinsen für ungerechtfertigt hoch halte, die "weder von den wirtschaftlichen Fundamentaldaten Spaniens, noch seinem Wachstumspotenzial oder der Tragfähigkeit seiner Staatsverschuldung“ gerechtfertigt würden.

Die konservative Regierung habe wichtige Schritte unternommen, um die Wirtschaft zu stärken, wurde in Bezug auf die Reformen der Haushaltspolitik und des Arbeitsmarktes, auf die Umstrukturierung des Bankensektors und die Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung erklärt. Dabei wird allseits davon ausgegangen, dass der damit verbundene drastische Sparkurs das Land immer weiter von einer wirtschaftlichen Gesundung entfernt und das Land wie Griechenland nur noch tiefer in die Rezession gespart wird. Von positiven Wirkungen am Arbeitsmarkt ist auch nichts zu spüren, Spanien hält mit fast 25% den EU-Rekord.

Die Rezession hat sich im zweiten Quartal verschärft. Doch nun sollen mit dem vierten Sparpaket in nur sechs Monaten zusätzlich 65 Milliarden Euro eingespart werden. Das sind weitere 5% der Wirtschaftsleistung. Der Abgang nach griechischem und portugiesischem Vorbild hat damit in Spanien erst richtig begonnen. Dass man auf dem Weg den Defizitzielen nicht wirklich näher kommt, wurde sogar in Brüssel schon eingeräumt. Zwei Mal wurde die Vorgabe für 2012 auf nun schon 6,3% angepasst und Spanien erhält zudem ein Jahr mehr Zeit, um es bis Ende 2014 wieder unter die Stabilitätsmarke von 3% zu drücken (Spanien erhält erneut mehr Zeit für Defizitabbau).

Madrid verweigert Katalonien ein eigenes Finanzierungsystem

Dass ausgerechnet Katalonien nun die Initialzündung für die Spanien-Rettung gibt, kann als Treppenwitz der Geschichte bezeichnet werden. Die wirtschaftsstarke Region kann nämlich nicht mit den konservativen Absturzregionen Valencia und Murcia verglichen werden. Katalonien stellt nur etwa 15% der spanischen Bevölkerung, trägt aber zu etwa einem Viertel zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Eine bessere Finanzierung der massiv unterfinanzierten Region hätte die Verschuldung nicht auf 42 Milliarden ansteigen lassen. Ein eigenes Finanzierungssystem, das den Anforderungen der Region entspricht, wird in Madrid stets torpediert. Zuletzt stolperte sogar eine Verbesserung der Finanzierung über ein Urteil des Verfassungsgerichts. Die Klage hatte ausgerechnet die nun in Spanien regierende Volkspartei (PP) eingelegt (Drohen zwischen Katalonien und Spanien belgische Zustände?).

Dass auch die Katalanen ein eigenes Finanzierungssystem wie die Basken in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft und Navarra erhalten, also die Steuern einnehmen und damit eine eigene Strukturpolitik und Industriepolitik machen können, wurde schon zuvor im spanischen Parlament verhindert. Was im Fall der Basken seit mehr als 30 Jahren erfolgreich funktioniert, soll im Fall Katalonien verfassungswidrig sein, lautete die schwer verdauliche Argumentation. Dass aber das Baskenland am besten durch die Krise kommt, ist kein Zufall. Die Arbeitslosigkeit ist nicht einmal halb so hoch als im staatlichen Durchschnitt und die Verschuldung niedrig (Urbane nachhaltige Mobilität).

Die konservativen spanischen Nationalisten werden nun den katalanischen Antrag beim nationalen Rettungsfonds (FLA) nutzen, um sich über Auflagen durch die Hintertür in Katalonien noch stärker einzumischen. Dort ist ihre PP unbedeutend, aber das wird die Unabhängigkeitsbestrebungen weiter verstärken. Schon seit Jahren steigt die Zahl derer, die in Katalonien für die Unabhängigkeit eintreten, massiv an. Dass man die Fähigkeit der spanischen Konservativen, vernünftig zu wirtschaften, bezweifeln muss, haben die nun in vielen Jahren in Regionen wie Valencia, Murcia, Balearen und anderen bewiesen, wo vor allem die Korruption blüht.

Erstmals hatte sich bei einer offiziellen spanischen Umfrage schon Ende Juni eine klare Mehrheit von 51,1% in Katalonien für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Klare Gegner waren nur noch 21,1% der Bevölkerung. Neben der Tatsache, dass die Katalanen die massiven Einmischungen in ihre Sprache der PP-Regierung ablehnen, ging die Mehrheit schon dabei davon aus, dass durch die Fehlentscheidungen in Madrid auch Katalonien ökonomisch mit in den Abgrund gerissen wird (Konjunktur für Separatismus). Wenn Madrid nun noch stärker in Katalonien hineinregiert, könnte die Lage schnell kritisch werden.