Altlasten oder Alternativen?
Personaldebatten bei Union und SPD gehen weiter
Während der Zeit, als offen war, ob Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz oder Jens Spahn Angela Merkel auf dem Posten der CDU-Parteivorsitzenden nachfolgen werden, verbesserte die Union ihre Emnid-Umfragwerte von 24 auf 30 Prozent. Dass es jetzt wieder abwärts geht, könnte damit zu tun haben, dass die knappe Siegerin und Merkel-Ziehtochter Annegret Kramp-Karrenbauer nicht die Wunschkandidatin aller potenziellen Unionsanhänger ist.
In der sächsischen Kleinstadt Brandis trat am 23. Dezember sogar ein ganzer Ortsverband geschlossen aus der CDU aus und zu den Freien Wähler über. Dort, so der ehemalige Brandiser CDU-Vorsitzende Alexander Busch zur Leipziger Volkszeitung, finde man jetzt "das bürgerlich-wertekonservative Grundgerüst, was wir vor einigen Jahren bei der CDU verloren haben".
Der ehemalige Brandiser CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Reich ergänzte, er wolle sich "nicht [mehr] für die Politik der Landes- und Bundesregierung vor Ort rechtfertigen müssen". Gegenüber dem CDU-Landkreischef Georg-Ludwig von Breitenbuch sollen die beiden der Chemnitzer Morgenpost zufolge konkreter geworden sein, und als letzten Anlass für den Austritt die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer genannt haben.
Geht der Sauerländer nach Baden-Württemberg?
Auch Wolfgang Reinhart, der CDU-Vorsitzende im Stuttgarter Landtag, räumte gegenüber der Lokalzeitung Heilbronner Stimme Parteiaustritte und "Frustration" wegen der Entscheidung der Delegiertenmehrheit für Kramp-Karrenbauer ein. Einem bislang nicht offiziell bestätigten Bericht der Bild-Zeitung nach will Reinharts Landesverband nun dem gegen die Merkel-Ziehtochter unterlegenen Friedrich Merz den Posten des Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl in Baden-Württemberg antragen.
Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident und jetzige EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger ging gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sogar noch etwas weiter und deutete an, Merz könne auch Kanzlerkandidat bei der nächsten Bundestagswahl werden. Es gebe nämlich "keinen Automatismus", dass die Bundesvorsitzende auch die Kanzlerkandidatin sein müsse. Und auch Kramp-Karrenbauer zeigte indirekt, dass sie Merz als Konkurrenten noch ernst nimmt, indem sie der Wochenzeitung Die Zeit mit Blick auf dessen Ministerambitionen sagte, das Kabinett sei "vollzählig", weshalb es "für die Kanzlerin keinen Handlungsbedarf" gebe.
Schulz fordert Urwahl des nächsten SPD-Kanzlerkandidaten
Bei der SPD hat sich dagegen ein vorerst gescheiterter Politiker selbst wieder ins Spiel gebracht: Martin Schulz, der bei der letzten Bundestagswahl als Kanzlerkandidat ein Rekordnegativergebnis erzielte, meinte in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er sei "Teil der Europakampagne im kommenden Jahr" und sehe im bereits in der Vergangenheit von ihm hervorgehobenen "Thema Europa" (vgl. Von der Arbeiterpartei zur EU-Partei) "für die SPD eine Chance, die bisher nicht genutzt werde". In Sozialen Medien stieß diese Ankündigung auf viel Spott - manche Nutzer mutmaßten deshalb sogar, ob der trockene Alkoholiker nicht vielleicht wieder zu trinken angefangen hat.
Außerdem fordert der Rheinländer eine Urwahl des nächsten SPD-Kanzlerkandidaten. So eine Urwahl gab es bei den Sozialdemokraten schon einmal, 1993. Sieger war damals der Martin Schulz vom Habitus her nicht ganz unähnliche Rudolf Scharping (vgl. Schulz - Scharping II.?), der die anschließende Bundestagswahl selbst gegen einen damals schon schwer angeschlagenen Helmut Kohl verlor.
Wenn bei so einer Urwahl "Personen mit ihren Programmvorstellungen im Wettbewerb antreten", dann wird es Schulz' Worten nach "richtig spannend". Wer ihm dabei vorschwebt, sagte er nicht und lobte stattdessen die CDU, die mit ihrem Wahlkampf um den Parteivorsitz "innovativ, spannend und demokratiefördernd" gewesen sei.
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