"Ausstieg aus der gesamten moralischen Geschichte"

Seite 5: Die persönliche Verantwortung des Papstes

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Die persönliche Mitverantwortung des derzeitigen Papstes, auf die z.B. Hans Küng und Uta Ranke-Heinemann mit detaillierten Nachweisen aufmerksam gemacht haben, lässt sich kaum klein reden.

Papst Benedikt XVI. Bild: Stef Mec. Lizenz: CC-BY-SA-2.5

Aus seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising trägt Joseph Ratzinger die oberste Bistumsverantwortung für einen geradezu klassischen Skandalfall, bei dem ein Priester seiner Sexualkriminalität unverdrossen an neuer Seelsorgestelle nachgehen konnte. Als Präfekt der Glaubenskongregation ist er seit langem – an hauptverantwortlicher Stelle – beteiligt gewesen am System der mit Strafandrohungen betriebenen päpstlichen Geheimpolitik (die sehr oft nicht erfolgte Einschaltung der weltlichen Justiz gehörte im Grunde mit zum System der kirchlichen Abschottung, in dem man die Opfer zu Stillschweigen, Gebet und Vergebung aufforderte).

Anlässlich der Aufhebung eines örtlichen Kirchengerichtsspruches durch Rom stellt sich die Frage, ob nicht der Zentralismus der Wojty?a/Ratzinger-Ära durch Missachtung der bischöflichen Kollegialität und des ansonsten geltenden katholischen Subsidiaritätsprinzips für Basisebenen alles noch schlimmer gemacht hat, als es ohnehin war. Mit einiger Berechtigung zweifelt Uta Ranke-Heinemann am Bild reumütiger Ortsbischöfe, die dem Papstthron auf wundersame Weise zu einem Glanz der Unschuld verhelfen.

Haben der Papst und sein Bruder von Skandalen bei den Regensburger Domspatzen wirklich nichts gewusst? Durch das Eingeständnis strenger Züchtigung von Chorknaben durch Georg Ratzinger stellt sich zumindest die Frage, aus was für einem autoritären Milieu der familiäre Ratzinger-Katholizismus möglicher Weise erwachsen ist.

Was auch immer bezogen auf die persönliche Verantwortung des Papstes an Details bekannt werden mag, noch zentraler ist die Frage, ob nicht der seit Jahrzehnten erfolgreiche Kirchenkurs Ratzingers insgesamt zur Verstärkung der Ursachen des Übels beigetragen hat.