Der Rüstungswettlauf des 21. Jahrhunderts hat begonnen – auch atomar

Fahnen von USA, Russland, stilisierte Atombombe

Bild: Volodymyr Horbovyy, Shutterstock.com

Immer mehr Nuklearwaffen einsatzbereit. Atommächte und Nato auf Eskalationskurs. Einen Profiteur gibt es schon.

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri hat heute darauf hingewiesen, dass die neun Nuklearmächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel ihre Atomwaffenarsenale modernisieren. Im Laufe des vergangenen Jahres seien mehrere neue nukleare Waffensysteme stationiert worden.

Gleichzeitig stellte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine nukleare Aufrüstung des Bündnisses in Aussicht. Der Trend zur Aufrüstung – auch im konventionellen Rüstungsbereich – bereitet indes vielen Menschen Sorgen. Nur ein Akteur freut sich.

Von den geschätzten 12.121 Sprengköpfen im globalen Bestand im Januar 2024 befanden sich etwa 9.585 in militärischen Lagern für einen möglichen Einsatz, darunter 3.904 einsatzbereite Sprengköpfe auf Raketen und an Flugzeugen.

Sipri-Direktor Dan Smith äußerte sich besorgt über den Trend zu mehr einsatzbereiten Nuklearwaffen, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen und beschleunigen dürfte.

Besorgniserregend sei die Entwicklung ballistischer Raketen mit Mehrfachsprengköpfen in Indien, Pakistan und Nordkorea. Russland, Frankreich, Großbritannien, die USA und neuerdings auch China folgten diesem Trend.

USA und Russland dominieren

Fast 90 Prozent aller Nuklearwaffen befinden sich im Besitz der USA und Russlands. Die Größe ihrer jeweiligen militärischen Arsenale scheint 2023 relativ stabil geblieben zu sein, obwohl Russland schätzungsweise etwa 36 Sprengköpfe mehr in den operativen Streitkräften stationiert hat.

Die Transparenz bezüglich der Nuklearstreitkräfte hat in beiden Ländern seit der vollständigen Invasion der Ukraine durch Russland im Februar 2022 abgenommen und Debatten über die nukleare Teilhabe sind in den Vordergrund gerückt.

Chinas nukleare Aufrüstung

Sipri schätzt, dass China sein Atomwaffenarsenal von 410 Sprengköpfen im Januar 2023 auf 500 im Januar 2024 erhöht hat – und weiter erhöhen wird.

Hans M. Kristensen, Associate Senior Fellow im Sipri-Forschungsprogramm zu Massenvernichtungswaffen und Direktor des Nuclear Information Project bei der Federation of American Scientists, betonte, dass China sein Arsenal schneller ausbaue als jedes andere Land.

Das sind die Ergebnisse des Sipri-Berichts

  1. Großbritannien hat sein Arsenal nicht vergrößert, aber es wird erwartet, dass es in Zukunft wachsen wird.
  2. Frankreich setzt seine Programme zur Entwicklung von U-Booten und neuen Marschflugkörpern fort
  3. Nordkorea setzt sein militärisches Nuklearprogramm als zentrales Element seiner nationalen Sicherheitsstrategie fort, mit einer Aufstockung auf etwa 50 Sprengköpfe.
  4. Auch Israel, das öffentlich nicht zugibt, Atomwaffen zu besitzen, modernisiert sein Arsenal und scheint seine Plutoniumaufbereitungsanlage in Dimona aufzurüsten.

Rückschläge für die Nukleardiplomatie

Die nukleare Abrüstungs- und Kontrolldiplomatie musste 2023 weitere Rückschläge hinnehmen. Russland kündigte an, seine Teilnahme am New-Start-Vertrag von 2010 auszusetzen, und auch die USA setzten die Übermittlung und Veröffentlichung von Vertragsdaten aus.

Im November zog Russland seine Ratifizierung des Atomwaffenteststoppvertrags (CTBT) zurück, blieb aber Unterzeichner.

Globale Sicherheit und Stabilität in Gefahr

Die 55. Ausgabe des Sipri-Jahrbuchs analysiert die fortschreitende Verschlechterung der globalen Sicherheit im vergangenen Jahr. Die Auswirkungen der Kriege in der Ukraine und in Gaza sind in fast allen Bereichen sichtbar, die das Jahrbuch in Bezug auf Rüstung, Abrüstung und internationale Sicherheit untersucht. Weiterhin gab es 2023 in 50 weiteren Staaten bewaffnete Konflikte.

Nato erwägt höhere Nuklearbereitschaft angesichts globaler Bedrohungen

Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen erwägt nun auch die Nato, ihre nukleare Abschreckungsfähigkeit zu erhöhen. Das bestätigte Generalsekretär Jens Stoltenberg in einem Interview mit der britischen Zeitung The Telegraph.

Stoltenberg sprach von laufenden Diskussionen innerhalb des Militärbündnisses über die Möglichkeit, mehr Atomwaffen aus den Silos einsatzbereit zu machen.

Grund dafür seien die wachsenden Bedrohungen durch China und Russland. Stoltenberg äußerte sich zwar nicht zu konkreten Zahlen oder Details der einsatzbereiten Atomsprengköpfe, betonte aber die Notwendigkeit, diese Fragen zu diskutieren.

Rüstungsindustrie boomt

Der Trend zur Aufrüstung lohnt sich verständlicherweise zunächst nur für einen: die Rüstungsindustrie. Die Branche boomt wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Nach Informationen der Financial Times wollen die 20 weltweit führenden Rüstungskonzerne in diesem Jahr zehntausende Stellen in der Produktion neu besetzen.

Die Rede ist von einer geplanten Aufstockung des Personals um fast zehn Prozent. Das entspräche rund 37.000 neuen Arbeitsplätzen in der Rüstungsproduktion.