Die UNO und wir: Deutschland wird zum "Speck der Hoffnung"

Wollte nicht mal für ihre Wähler sprechen, jetzt spricht sie für alle deutschen bei der UNO: Annalena Baerbock. Bild: UN-Foto/Loey Felipe/ UN Photo
Nach vielen Fauxpas winkt Annalena Baerbock ein UN-Posten. Das Nachsehen hat eine Top-Diplomatin. Welches Signal sendet Berlin nur an die Welt? Ein Kommentar.
Um den jüngsten Skandal um die scheidende – manche sagen: gescheiterte – Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu verstehen, sollten wir grundsätzlich beginnen und den Duden zurate ziehen. Diplomatie, heißt es dort, ist die Kunst der "Wahrnehmung der außenpolitischen Interessen eines Staates durch seine Vertreter im Ausland". Oder eben durch die Chefdiplomatin selbst.
Gemessen daran ist nicht einzusehen, warum die Grünen-Politikerin, die – warum eigentlich? – in ihrer eigenen Partei keine Perspektive mehr hat, nun an die Spitze der UN-Generalversammlung weggelobt werden soll. Ausgerechnet zulasten einer der erfahrensten deutschen Diplomatinnen, deren Nominierung kurzerhand zurückgenommen wurde.
Mehrere Umstände mögen dazu beigetragen haben. Keiner ist besonders schmeichelhaft für die Verantwortlichen und die Nutznießerin dieser Entscheidung.
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An Baerbocks Amtsführung kann es nicht gelegen haben. Seit ihrem Antritt als deutsche Außenministerin im Dezember 2021 – damals schon die unmittelbare Folge eines Scheiterns, als Kanzlerkandidatin nämlich – hat Baerbock immer wieder für Negativschlagzeilen und Kontroversen gesorgt.
Mal waren es unangenehme Versprecher, dann provokante Äußerungen oder auch umstrittenen Entscheidungen. Die Grünen-Politikerin eckte im In- und Ausland an.
"Egal, was meine Wähler denken …"
Bei einem offiziellen Termin in Prag im September 2022 erklärte sie ihre kompromisslose Befürwortung finanzieller und militärischer Ukraine-Hilfe wie folgt:
Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: ‚Wir stehen an eurer Seite, solange ihr uns braucht', dann werde ich diese Versprechen einhalten. Egal, was meine deutschen Wähler denken.
Annalena Baerbock
Diese Aussage, die überwiegend als Missachtung des Wählerwillens interpretiert wurde, löste in Deutschland heftige Kritik aus. Nicht wenige warfen ihr vor, sich über die Meinung der Bürger hinwegzusetzen. Der Hashtag #BaerbockRuecktritt trendete daraufhin tagelang in den sozialen Medien.
"Krieg gegen Russland"
Für Irritationen sorgte Baerbock auch mit ihrer Äußerung vor dem Europarat in Straßburg, als sie sagte: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander."
Obwohl die Bundesregierung stets betonte, Deutschland sei keine Kriegspartei in der Ukraine, griffen russische Staatsmedien Baerbocks Formulierung dankbar auf.
Sie sahen darin den Beweis, dass Deutschland und andere EU-Staaten doch direkt in den Konflikt involviert seien. Das russische Außenministerium bestellte den deutschen Botschafter in Moskau ein und verlangte Aufklärung über die "widersprüchlichen" Äußerungen der Ministerin.
Xi Jinping als "Diktator"
Auch gegenüber China leistete sich Baerbock einen verbalen Fauxpas. In einem Interview mit dem US-Sender Fox News, dem Sprachrohr des Trump-Lagers, bezeichnete sie den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping als "Diktator". Wörtlich sagte sie:
Sollte Putin diesen Krieg gewinnen, was für ein Zeichen wäre das für andere Diktatoren in der Welt, wie Xi, wie der chinesische Präsident?
Annalena Baerbock
Beijing reagierte empört auf diese Äußerung. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Mao Ning sprach von einer "absurden" Aussage und einer "offenen politischen Provokation".
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Kritik an Israel im Westjordanland
Im Nahost-Konflikt schien ihr jeder Kompass zu fehlen. Einerseits kritisierte sie die Besuche zweier israelischer Minister auf dem Tempelberg, die sie als "unverantwortlich und zündelnd in einer ohnehin schon absolut explosiven Lage" bezeichnete.
Andererseits verteidigte sie gegen die wachsende illegale Kritik den Krieg der rechtsklerikalen Regierung von Benjamin Netanjahu gegen die Palästinenser. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Amman forderte daraufhin der jordanische Außenminister Safadi Deutschland auf, Sanktionen gegen Israel zu verhängen. Baerbock verwies auf bereits bestehende EU-Sanktionen gegen radikale Siedler.
Kontroverse um UN-Kandidatur
Angesicht der politischen Inhaftierung des Wikileaks-Gründers Julian Assange blieb Annalena Baerbock auffallend passiv. Noch im Wahlkampf im September 2021 kamen aus ihrem Kampagnenteam ganz andere Töne.
Und jetzt also das skandalöse Ende einer holprigen Amtszeit. Auf eine gewisse Weise ist das folgerichtig. Es geht um die Entscheidung der nur noch kommissarisch amtierenden Bundesregierung, Baerbock als Kandidatin für den Vorsitz der UN-Generalversammlung 2025/26 zu nominieren; eine Formsache, der Posten ist ihr dadurch fast sicher.
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Vor allem die Verdrängung der ursprünglich vorgesehenen erfahrenen Top-Diplomatin Helga Schmid stieß auf Unverständnis. Die deutsche und europäische Presse übte harsche Kritik an Baerbocks Vorgehen.
Die "FAZ bemängelte die Zurückziehung einer versierten Diplomatin "ohne fachliche Begründung", die SZ wertete den Wechsel als schlechtes Licht auf Baerbock und die Bild sah darin einen Widerspruch zu ihrem propagierten Einsatz für Frauen. Lediglich der Spiegel verteidigte Baerbock und lobte ihren "weiblichen Egoismus" als notwendig für Veränderungen.
Kritik aus den Schwellenländern
Doch nicht nur im Westen, auch in den aufstrebenden Schwellenländern des Globalen Südens stieß Baerbocks Auftreten auf Kritik und Unverständnis. Gerade für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind Staaten wie China, Indien, Brasilien und Südafrika von immenser Bedeutung. Doch Baerbocks Aussagen, die oft als bevormundend und eurozentrisch wahrgenommen wurden, belasteten die Beziehungen.
Wie war das noch mal? Die Interessen Deutschlands im Ausland wahren? Es muss schon viel passieren, bis, wie nun geschehen, ein Karrierediplomat wie Christoph Heusgen offen gegen Baerbock opponiert.
Man könnte das so deuten: Das Diplomatische Korps hat nur darauf gewartet, bis die Zeit unter Baerbock zu Ende ist. Und bis die ständigen Noteinsätze zur Vergangenheit gehören, bei denen unbedachte und undiplomatische Äußerungen der Dienstherren erklärt und relativiert werden mussten.
In Brasilien etwa, wo ihre Äußerung für Empörung sorgte, dass sich arme Mütter in Lateinamerika mehr um Reis- und Bohnenpreise als um internationale Konflikte sorgten. Dies wurde als herablassend empfunden. Auch Baerbocks Druck, die Position im Ukraine-Konflikt zu ändern, ließ Brasilien an sich abprallen.
"Feministische Außenpolitik" und die Causa Schmid
Für viele Beobachter schwer nachvollziehbar ist jetzt auch der Widerspruch zwischen Baerbocks Anspruch auf eine sogenannte feministische Außenpolitik und der Ausbootung einer führenden Diplomatin bei der Kandidatur für den Vorsitz der UN-Generalversammlung.
Ausgerechnet eine qualifizierte und international anerkannte Frau wurde so von Baerbock aus Eigeninteresse kaltgestellt – ein Vorgehen, das sich mit dem postulierten Ziel, "mehr Frauen in Führungspositionen" zu bringen, nur schwer in Einklang bringen lässt; sollte das Ziel nicht zynisch zum eigenen Vorteil missbraucht werden
Baerbocks "feministische Außenpolitik" zielt darauf ab, weltweit Gleichberechtigung und gleichberechtigte Teilhabe zu fördern.
Im Kern geht es um die Stärkung von Frauenrechten, den Zugang zu Ressourcen und eine höhere Repräsentanz von Frauen in außenpolitischen Entscheidungspositionen.
Mit einem 80-seitigen Leitfaden will Baerbock diese Prinzipien im Auswärtigen Amt verankern. Auch die Schaffung eines Postens für eine Botschafterin für feministische Außenpolitik gehört dazu.
Fragwürdige Botschaft an die UNO
Doch gerade der Fall Schmid nährt Zweifel an Baerbocks Glaubwürdigkeit in diesem Punkt. Statt eine kompetente Frau mit langjähriger Erfahrung auf internationaler Bühne zu fördern, wurde diese brüsk beiseitegeschoben. Dabei war der Anspruch der selbsterklärten Frauenrechtlerin Baerbock für viele Feministinnen ein "Speck der Hoffnung"
Nun soll die Grünen-Politikerin also, koste es, was es wolle, nach vielen undiplomatischen Eklats, Skandalen und Versprechern von einer abgewählten Regierung in einen Posten gehievt worden. Ist das die richtige Botschaft Deutschlands für die Vereinten Nationen?