Drohende Engpässe in Ungarn: Dreht die Ukraine der EU den Ölhahn zu?

Lukoil in Kasachstan. Bild: Vladimir Tretyakov, Shutterstock.com

Sanktionen Kiews blockieren Lieferungen nach Ungarn. Dem Land droht eine Energiekrise. Warum das für die Union ein grundsätzliches Problem ist.

In Ungarn wächst die Sorge vor Energieengpässen und Kraftstoffmangel, nachdem die Ukraine Sanktionen gegen den Transit von russischem Öl durch ihr Territorium verhängt hat. Diese Maßnahme, die im vergangenen Monat in Kraft getreten war, richtet sich gegen das russische Ölunternehmen Lukoil und gefährdet einen wesentlichen Teil der Energieversorgung Ungarns, welches 70 Prozent seines Ölbedarfs aus Russland deckt.

Insbesondere betrifft dies die Hälfte der Importe, die durch Lukoil abgewickelt werden. Kiews Ziel ist es, die finanziellen Mittel Russlands für den Krieg gegen die Ukraine weiter zu drosseln, auch mehr als zwei Jahre nach Beginn der Invasion. Dadurch wird allerdings auch die Energieversorgung in der Europäischen Union gefährdet. Einige Mitgliedstaaten sind nach wie vor auf Energielieferungen aus Russland angewiesen, Alternativen sind mitunter weitaus teurer.

Ilona Gizińska, Forscherin und Ungarn-Expertin der ungarischen Denkfabrik Centre for Eastern Studies, warnt vor drastischen Energiepreisen und Stromausfällen, sollten für das Land keine Alternativen gefunden werden. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó kritisierte die ukrainischen Sanktionen scharf und sieht die langfristige Energieversorgung des Landes bedroht. Gespräche zwischen Ungarn und Russland über alternative Öllieferungen sind im Gange, jedoch stellen die Sanktionen bereits eine "neue rechtliche Situation" dar, so Szijjártó.

Spannungen zwischen Budapest und Kiew

Die Spannungen zwischen Kiew und Budapest nehmen zu, insbesondere nachdem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán früher in diesem Monat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammengekommen war. Ungarn hatte wiederholt EU-Waffenlieferungen an die Ukraine blockiert.

Die EU hatte ein Embargo für den Import von russischem Öl per Seeweg verhängt, lieferte jedoch eine Ausnahme für Pipeline-Lieferungen – einschließlich der über die Druschba-Pipeline nach Ungarn, in die Slowakei und die Tschechische Republik – um diesen Ländern Zeit für die Suche nach Alternativen zu geben.

Ukraine dreht den Hahn zu

Die Ukraine hat nun selbst Maßnahmen ergriffen, wie die ukrainische Abgeordnete Inna Sovsun erläutert. Sie deutet auch an, dass die Sanktionen dazu dienen könnten, Ungarns Widerstand gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und den EU-Beitritt des Landes zu überwinden.

Offensichtlich ist, dass Kiew selbst in die Energiepolitik der Europäischen Union eingreift und den Druck erhöht. Gleichzeitig wird das Land aus der EU massiv finanziert. Dieser Widerspruch wird zu weiteren Konflikten in Brüssel führen.

Nicht nur Ungarn ist von den mit Brüssel nicht abgestimmten Sanktionen der Ukrainer betroffen: Die slowakische Raffinerie Slovnaft bezieht ebenfalls Rohöl von Lukoil, hat jedoch laut Aussagen eines Sprechers des Wirtschaftsministeriums alternative Quellen gefunden, wie die US-Redaktion Politico berichtet.

Obwohl die gegenwärtigen Sanktionen sich nur gegen Lukoil richten, prognostiziert die ukrainische Energieexpertin Olena Lapenko, dass weitere Sanktionen gegen andere Unternehmen, die russisches Öl produzieren und exportieren, bevorstehen könnten.

Ungarn muss nun rasch handeln, um andere Optionen zu finden. Es könnten Verhandlungen über weitere Importe von Rosneft geführt oder die Versorgung über die Adria-Pipeline aus Kroatien erhöht werden. Ebenso kommt die Freigabe strategischer Reserven in Betracht, die eine Ölversorgung für 90 Tage sicherstellen könnten.

Die ungarischen Bemühungen zur Umgehung der ukrainischen Lieferblockade werden vom Außenminister Péter Szijjártó angeführt. Der Chefdiplomat bestätigte nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow am Rande einer UN-Konferenz in New York, dass Lukoil derzeit kein Öl an Ungarn liefere. Szijjártó betonte jedoch die Anstrengungen, eine rechtliche Lösung zu finden, um den Ölfluss schnellstmöglich wiederherzustellen.

Ungarn, Russland und die EU

Das Bestreben Ungarns, die Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten, steht im Kontrast zu der kritischen Haltung einiger EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Russland. Die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán betrachtet russisches Öl als wesentlich für die Energiesicherheit des Landes. Trotz des Bestrebens der EU, sich von russischen Energieimporten zu lösen, scheint Ungarn aufgrund seiner geografischen und wirtschaftlichen Lage auf die Kooperation mit Russland angewiesen zu sein.

Die Ratingagentur Fitch berichtete im Mai, dass das ungarische Ölunternehmen MOL plant, dieses Jahr etwa 40 Prozent seines Bedarfs aus Nicht-Russischen Quellen zu decken und bis 2026 vollständig auf russische Öllieferungen zu verzichten.

Allerdings schließt MOL die Nutzung russischen Öls in der Zukunft nicht aus, abhängig von Markt- und Regulierungsbedingungen. Zu der aktuellen Situation wollte das Unternehmen keinen Kommentar abgeben.