Ukraine beschränkt Transit für Russen-Öl: Energiekrise in Teilen Osteuropas
Budapest und Bratislava erhöhen Druck auf die Ukraine. Brüssel in der Pflicht. Drohende Versorgungsengpässe könnten EU spalten.
Die anhaltende Energiekrise in der Europäischen Union hat die Mitgliedsstaaten Ungarn und Slowakei dazu veranlasst, Druck auf die Ukraine auszuüben, um die Wiederaufnahme der Durchleitung von russischem Öl durch ukrainisches Territorium zu erreichen.
Wie Außenminister Péter Szijjártó nach einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel mitteilte, sind Budapest und Bratislava bereit, die Ukraine juristisch zur Verantwortung zu ziehen, sollte keine Einigung erzielt werden.
Der Streit ist entbrannt, nachdem Kiew im vergangenen Monat die Sanktionen gegen den russischen Ölkonzern Lukoil PJSC verschärft und damit faktisch die Nutzung der Ukraine als Transitland für dessen Rohöl untersagt hatte. Ungarn und die Slowakei beziehen nach Angaben von Szijjártó einen erheblichen Teil ihrer Ölimporte über diese Route.
Umstrittene Rolle Ungarns
Die Energiefrage wird als mögliches Druckmittel gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán gesehen. Orbán hat wiederholt versucht, EU-Sanktionen gegen Russland wegen dessen Militärinvasion in der Ukraine zu blockieren oder abzuschwächen. Ungarn und die Slowakei hatten bis dahin Ausnahmen von den EU-Energiesanktionen genossen.
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Szijjártó kündigte nun an, dass Ungarn und die Slowakei ein sogenanntes Konsultationsverfahren anstreben, bei dem die Europäische Kommission drei Tage Zeit hat, eine Lösung im Namen der betroffenen EU-Mitgliedstaaten zu finden.
Scheitert die EU-Exekutive, beabsichtigen beide Länder ein Schiedsgericht anzurufen. Der ungarische Außenminister sieht in der Entscheidung der Ukraine einen Verstoß gegen das bestehende Assoziierungsabkommen zwischen Kiew und der EU.
Mögliche Folgen für Versorgung und Preise
Trotz alternativer Lieferwege, beispielsweise über Kroatien, könnten die ohnehin hohen Kraftstoffpreise an den Zapfsäulen weiter steigen, warnt Tamas Pletser, Energieanalyst bei der Erste Group in Budapest. Dies wiederum könnte die ungarischen Haushaltseinnahmen aus einer Sondersteuer auf russische Rohölgewinne gefährden, die kürzlich zur Deckung von Haushaltslöchern ausgeweitet wurde.
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Unklar ist, mit wie viel Verständnis Ungarn in Brüssel rechnen kann. Die westlichen Verbündeten sind verärgert über Orbáns Entscheidung, seine rotierende EU-Präsidentschaft zu nutzen, um sein eigenes Profil zu schärfen und sich ohne Zustimmung Kiews oder Brüssels als Teil einer Friedensmission in der Ukraine mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen.
Ungarn und Slowakei pochen auf schnelle Lösung
Laut Szijjarto will Ungarn eine rasche Wiederaufnahme der Lukoil-Lieferungen, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden. Die Slowakei erhält nach Angaben von Ministerpräsident Robert Fico, der im Mai ein Attentat überlebte, rund 45 Prozent ihrer Ölimporte über diese Route. Er warnte die Ukraine davor, dass deren Sanktionen gegen Lukoil auch die slowakischen Diesellieferungen in die Ukraine gefährden könnten.