Ist Wladimir Putin wirklich ein Faschist, wie er im Lehrbuch steht?

Seite 3: Der russische Oppositionelle und Transatlantiker

Mit einem Aufsatz in der Neuen Zürcher Zeitung meldete sich Ende März Wladislaw Inosemzew zu Wort. Putin sei ein gelehriger Schüler des italienischen Faschisten Benito Mussolinis, heißt es dort. Unter Putin habe sich Russland "zu einem klassischen faschistischen Staat" entwickelt.

Vorgestellt wird Inosemzew in der NZZ als russischer Ökonom, doch weder wird seine politische Rolle erwähnt, noch wird darüber berichtet, dass er fest in transatlantische Netzwerke eingebunden ist.

Nach dem Untergang der Sowjetunion machte er zunächst Karriere in verschiedenen russischen Banken. Schließlich wurde er in den Jahren 2008 bis 2010 Berater der Kommission zur Modernisierung der Wirtschaft der Russischen Föderation unter dem damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew.

Schon im Jahr 2010 hatte er sich gegen Wladimir Putin gestellt und als einer der ersten eine Petition unterzeichnet, mit der Wladimir Putin aufgefordert wurde, nicht mehr erneut für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Inzwischen gilt Inosemzew als einer der schärfsten Kritiker Putins.

Spätestens ab 2012 wurde Inosemzew zunehmend Teil transatlantischer Netzwerke. Von 2012 bis 2013 war er "Senior visiting fellow" am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Von 2013 bis 2014 führte ihn sein Weg zum Center for Strategic und International Studies (CSIS) in Washington.

Das CSIS berät die US-Regierung in Fragen der Außenpolitik und in seinem Aufsichtsrat sitzen unter anderem Vertreter des Pentagon. Aber auch ehemalige Regierungsangehörige wie Henry Kissinger, Zbigniew Brzeziński, James R. Schlesinger, William Cohen und Brent Scowcroft waren in dem Gremium vertreten. Eine anti-russische Ausrichtung des CSIS dürfte damit angenommen werden können.

Im Jahr 2015 führte es Inosemzew dann zur Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Dann ging er zurück zur CSIS und war bis 2016 an dessen "Brzezinski Institute on Geostrategy" tätig. Nach dieser Zeit arbeitete er unter anderem für den Atlantic Council; bis 2020 lässt sich die Zusammenarbeit zeigen.

In all den Jahren schrieb Inosemzew für eine Vielzahl von Publikation Artikeln. Dabei publizierte er unter anderem mit dem bulgarischen Politologen Ivan Krastev, der auch 2014 bei dem weiter oben angeführten Kongress in Kiew auf dem Podium saß. Oder mit Alexander Lebedev, einem russischen Oligarchen und Mäzen, der Russland verließ, nachdem ihm vorgeworfen wurde, die Opposition im Land zu finanzieren.

Von Inosemzew stammt das Traktat "How to win Cold War II", das er 2014 veröffentlichte. Angesichts des Bürgerkriegs in der Ukraine schlug er dem "Westen" ein härteres Vorgehen gegen Russland vor. Er schlug schon damals vor, den Import von Energieträgern aus Russland zu beschränken. Es sollte seiner Meinung nach auch den Ratingagenturen "vorgeschlagen" werden, die Kreditwürdigkeit Russlands herabzusetzen. Außerdem sollte der Export von Technologien nach Russland untersagt werden.