JFK und die Dallas Cowboys

Seite 4: J. D. Tippit

Streifenpolizist J. D. Tippit war ein Mann der Tat. Als Fallschirmjäger hatte Tippit im Zweiten Weltkrieg am Rhein gekämpft, litt an posttraumatischer Belastungsstörung und hatte sich dann in Veteranenkreisen herumgetrieben.

In Dallas ging Tippit zur Polizei, fiel dort nicht durch Ehrgeiz, aber Tapferkeit auf und arbeite nebenbei in einem Drive In-Restaurant. Er führte einen unsteten Lebenswandel und soll in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sein.

Die Warren-Kommission räumte lediglich ein, der Wirt von Tippits Restaurant sei Mitglied in der John Birch Society. Die Männer hätten sich aber nie über Politik unterhalten. Tatsächlich jedoch war das Drive In ein beliebter Treffpunkt von Rednecks.

In einem bis 2017 zurückgehaltenen FBI-Dokument vom 4. Januar 1964 ist zu lesen, dass Tippit eine Woche vor dem Mord mit dem Dallas-Oberhaupt der rechtsextremen John Birch Society gesehen wurde, sowie mit Oswald. Ort des Treffens sei ausgerechnet der häufig von Polizisten frequentierten Nachtclub Carousel Club gewesen, dessen schillernden Betreiber Jack Ruby am 24.11.1963 Oswald erschoss.

Eine Viertelstunde nach dem Mord am Präsidenten war um 12.45 Uhr eine Personenfahndung nach einem Mann durchgegeben worden, den ein Zeuge am Fenster im fünften Stock mit einem Gewehr gesehen haben wollte. Obwohl alle Polizisten per Funk zur Dealey Plaza beordert wurden, fuhr Tippit in den benachbarten Stadtteil Oak Cliff, wo die Oswalds seit Kurzem wohnten.

Laut Warren-Bericht soll Oswald die 2,7 Meilen von der Daeley Plaza zum späteren Tatort des Tippit-Mords in einer Dreiviertelstunde per Bus und Taxis zurücklgelegt haben. Zu Fuß wäre dies nur im Laufschritt möglich gewesen, was jedoch niemand beobachtet hat.

Eine Zeugin berichtete demgegenüber, nach 13.00 Uhr habe bei Oswalds Haus ein mit zwei Personen besetzter Polizeiwagen zweimal ähnlich einer Hupe die Sirene kurz angetippt, Oswald habe kurz darauf das Haus verlassen und sei mitgefahren.

Um 13.18 Uhr wurden eine Meile entfernt Schüsse gemeldet: Tippit war unter unklaren Umständen in seinem Polizeiauto mit drei Kugeln verschiedener Fabrikate erschossen worden.

Zeugen der Tat sagten widersprüchlich aus. Manche berichteten von zwei Tätern, manche wollten Oswald gesehen haben. Ein Zeuge konnte sich an Oswald jedoch erst wieder erinnern, nachdem er selbst einen Kopfschuss überlebte. Tippit soll Oswald zum Auto gerufen und mit ihm geredet haben, bevor die Schüsse fielen.

Keinen Anstoß nahm Warren an dem Umstand, dass eine derart defensive Ansprache zur Festnahme eines schießfreudigen Attentäters bei einem erfahrenen Cop wie Tippit mehr als ungewöhnlich gewesen wäre.

Ein negativer Paraffintest spricht allerdings dagegen, dass Oswald an diesem Tag irgendeine Schusswaffe abgefeuert hatte – weder auf Kennedy noch auf Tippit. Auch stammen die drei tödlichen Kugeln von unterschiedlichen Fabrikaten, was auf mehrere Schützen hindeutet. Welches Ziel der nach Süden gefahrene Tippit angesteuert hatte, blieb gänzlich unbekannt.

Der Deutschamerikaner Joachim Joesten, der sich damals in Dallas umhörte, wies darauf hin, dass sich nur zwei Blocks entfernt vom Tatort die Privatwohnung von Jack Ruby befand. Ein Treffen von Tippit und Ruby dort lag also buchstäblich nahe, der Warren Bericht will dies jedoch übersehen haben.

Joesten stellte die Frage, warum vom heldenhaften Tippit, der sein Leben der Festnahme des Kennedy-Mörders geopfert haben soll, trotz hohen Medieninteresses damals kein einziges Foto erschienen war.

In dem Fall wäre nämlich wohl aufgefallen, dass Tippit erstaunlich große Ähnlichkeit mit Oswald aufwies. Ein heute bekanntes Foto von Tippit bestätigt diesen Befund. Zudem passte auch Tippits Alter von 31 Jahren besser zur Fahndungsmeldung, die einen Mann Anfang 30 beschrieb, während Oswald 24 Jahre alt war und zudem jünger gewirkt haben soll. Bei einer Gegenüberstellung konnte der Zeuge, der den Schützen am Fenster gesehen haben wollte, Oswald nicht identifizieren.

Joesten leitete daraus die kühne These ab, Tippit habe am Fenster im Schulbuchlager als schießender Oswald posiert, um dem bereits als Castro-Unterstützer legendierten Oswald den Präsidentenmord in die Schuhe zu schieben. Während Oswald kein plausibles Motiv zum Mord an Tippit hatte, hätten die Hintermänner ein starkes Interesse daran, Mitwisser wie Tippit und Oswald zu beseitigen – wie es Ruby Tage später an dem zunächst von der Szene geflüchteten Oswald verwirklichte.

Bemerkenswert an Joestens skurril anmutender These ist, dass ihm unbekannt gewesen sein dürfte, dass die CIA tatsächlich ähnlich aufwändige Täuschungstaktiken praktizierte: So setzte Desinformationsspezialist Robert Maheu Doppelgänger ein, um Spitzenpolitiker mit verfänglichen Filmaufnahmen in Misskredit zu bringen.

Der Leiter des Secret Teams William King Harvey tarnte politische Morde, in dem er sie durch Fehlspuren als solche politischer Gegner erscheinen und möglichst durch Personen erledigen ließ, zu denen die CIA Verbindungen plausibel abstreiten konnte, etwa Mafiosi.

Raffinierte Desinformationsoperationen konzipierten in der CIA untergekommene Literaten wie James Jesus Angleton, Cord Meier und E. Howard Hunt, denen es nicht an Kreativität fehlte. Um die Kunst der Täuschung zu optimieren, hatte CIA-Chef Dulles Jahre zuvor sogar einen bekannten Zauberkünstler mit einem entsprechenden Handbuch beauftragt.

Die Warren-Kommission schien sich nicht allzu sehr für den Tippit-Mord zu interessieren.