"Multikulti" bis "Querdenken": Ist unsere Gesellschaft polarisiert?

Seite 3: Studie: "Vom Unbehagen an der Vielfalt"

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung "Vom Unbehagen an der Vielfalt" kam zum Teil zu anderen Ergebnissen. Ihr Fokus war der "populistisch orientierte Antipluralismus in Deutschland". Dabei zeichnet die Studie ein differenziertes Bild des Bevölkerungssegments der mehr oder weniger "antipluralistisch" Eingestellten. Sie werden in "Zweifler", "Verunsicherte", "Frustrierte" und "Ausgegrenzte" kategorisiert.

Entgegen der Robert-Bosch-Stiftung-Studie sehen die Autoren bei den Frustrierten und Ausgegrenzten eine starke strukturelle Benachteiligung: sie leben in strukturschwachen Regionen, unter schlechten Wohnverhältnissen, sind nicht in soziale Netzwerke eingebunden, haben ein niedriges Einkommen und eine unterdurchschnittliche Bildung. Das Vertrauen in Mitmenschen, die gesellschaftlichen und politischen Institutionen ist gering.

Dennoch kommen die Autoren am Schluss zu einer "optimistischen" Beurteilung "über das Ausmaß des engeren, populistisch orientierten Antipluralismus in Deutschland." Es seien "etwa zwölf Prozent der Befragten, denen eine verringerte Lebenszufriedenheit, eine pessimistische Lebenseinstellung, persönliche und gesellschaftliche Frustrationserfahrungen, eine fehlende soziale Einbindung sowie unzureichende materielle Ressourcen gemein sind."

Es findet sich hier eine resignative Grundhaltung, aber auch Protest- und am Rande-Gewaltbereitschaft. Die Anti-Pluralismus-Haltung ist auch nach dieser Studie im Osten Deutschlands ausgeprägter als im Westen, aber nicht nur dort zu finden.

Fazit: Keine starke Polarisierung, aber auch keine Homogenität

Überblickt man diese Untersuchungen, dann kann man nicht von einer starken Polarisierung der deutschen Gesellschaft im Zusammenleben sprechen. Die Gesamttendenz der Untersuchungen besagt, dass in Deutschland die Akzeptanz von Vielfalt und Zugehörigkeit früher ausgegrenzter Gruppen gewachsen ist und einen starken Anhalt in der Bevölkerung hat.

Es sind marginale, wenn auch unübersehbare Gruppen, die sich im Widerspruch zum "Vielfaltstrend" in der Gesellschaft befinden. Das enthält allerdings Konfliktpotential und bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima. Homogen oder ohne Spannungen ist die deutsche Gesellschaft nicht.

Diese Tendenz kann sich verändern - gerade in schwierigen Zeiten wie gegenwärtig - ist aber auch ausbaufähig. Darin unterscheidet sich die deutsche Gesellschaft immer noch von der anderer Länder wie die USA oder Polen, wo es starke Polarisierungen gibt, bei denen vorerst wenig Aussicht auf Überwindung zu bestehen scheint.

Man kann davon ausgehen, dass in Deutschland Konfliktfragen in den Medien und in der Politik überbetont werden. Auch das medienwirksame rechtspopulistische Getöse ist kein "Mehrheitsdiskurs", so der Konfliktforscher Andreas Zick in Zeit Online.

Kritische Haltung zu Eliten und Politik

Bemerkenswert ist eine Ausnahme, auf die die Autoren der Robert-Bosch-Stiftung-Studie am Rande eingehen, eine Aversion gegen "Eliten". "Die Nichtakzeptanz von Vielfalt bezogen auf Aspekte wie Reichtum, ökonomische Macht und geistige Kompetenz ist deutschlandweit ausgeprägt." (42 Punkte von 100). Auch hier gibt es regionale Ausprägungen. In Hamburg und Baden-Württemberg ist diese Nichtakzeptanz am geringsten, in Ostdeutschland und im Saarland am höchsten.