Ukraine-Krieg: Was das vereitelte Attentat auf Präsident Selenskyj bedeutet

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Cherson. Bild: rawpixel.com

Dienste: Versuchter Mord an Präsident und Funktionären vereitelt. Täter sollen aus Apparat stammen. Was das mit Frontgeschehen zu tun hat. Ein Kommentar.

Die ukrainischen Sicherheitsdienste haben am Dienstag bekannt gegeben, dass sie ein Attentat auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vereitelt haben.

Zwei Obersten der ukrainischen Staatsgarde, die unter anderem für den Schutz hochrangiger ukrainischer Beamter zuständig ist, wurden als Mitglieder einer Gruppe identifiziert, die mit dem russischen Geheimdienst FSB zusammengearbeitet haben soll. Ziel sei es gewesen, Präsident Selenskyj, den Leiter des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU), Wassyl Maljuk, und den Chef des militärischen Geheimdienstes, Kyrylo Budanow, zu ermorden.

Es ist einer der aufsehenerregendsten Mordanschläge auf Selenskyj seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022.

Es sei auch das erste Mal, dass hochrangige Beamte in ein solches Komplott verwickelt seien, heißt es in Kiew. Beispiellos sei auch, dass "ein so hochrangiger Beamter des Staatssicherheitsdienstes zum Maulwurf des Feindes geworden ist", sagte SBU-Sprecher Artem Dehtiarenko gegenüber dem US-Magazin Politico.

Mark Episkopos ist Eurasia Research Fellow am Quincy Institute for Responsible Statecraft.

Die Nachricht von der angeblichen Verschwörung kommt nach Monaten interner Unruhen in Kiew. Sie kommt auch nach zahlreichen Entlassungen und Verhaftungen hochrangiger Beamter wegen Korruptions- und Spionagevorwürfen. Und nach der Entscheidung Selenskyjs, den Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte (AFU) und zweitbeliebtesten Beamten des Landes, Walerij Saluschnyj, zu entlassen.

Vor dem Hintergrund der schwindenden Aussichten der Ukraine auf dem Schlachtfeld deuten diese Entwicklungen auf eine gewisse innere Verwundbarkeit der Ukraine hin, die westliche Entscheidungsträger alarmieren sollte.

Die Einzelheiten des Attentats sind noch unklar und das volle Ausmaß der russischen Beteiligung muss ermittelt werden.

Hat Russland die ukrainischen Dienste infiltriert?

Wenn jedoch, wie von der ukrainischen Sicherheitsbehörde behauptet, russische Agenten die Hilfe von mindestens zwei hochrangigen ukrainischen Beamten in Anspruch nehmen konnten, um ein umfassendes, mehrstufiges Komplott zur Ermordung von drei hochrangigen ukrainischen Amtsträgern, einschließlich des Präsidenten, zu organisieren, deutet dies auf ein größeres Phänomen hin, nämlich die weitreichende Durchdringung der ukrainischen Bürokratie und des Militärs durch russische Geheimdienste.

Dieses Problem wird sich wahrscheinlich noch verschärfen, da die wachsende Gefahr eines Zusammenbruchs der AFU an der Front neue Anreize für ukrainische Beamte auf allen Ebenen schafft, eine Zusammenarbeit mit Russland in Erwägung zu ziehen. Das Attentat vom Mai könnte daher ein frühes Warnzeichen für eine umfassendere interne Dysfunktionalität sein, die, wenn sie nicht unter Kontrolle gebracht wird, schließlich zu einer Herausforderung für die politische Stabilität der Ukraine werden könnte.

Diese Entwicklungen deuten nicht auf einen siegreichen oder siegessicheren ukrainischen Staat hin.

Sie sind eher symptomatisch für eine kriegsgebeutelte Regierung; von internen Schwächen zerrissen, die von Russland immer effektiver ausgenutzt werden.

Mark Episkopos ist Eurasia Research Fellow am Quincy Institute for Responsible Statecraft. Außerdem ist er außerordentlicher Professor für Geschichte an der Marymount University. Episkopos hat an der American University in Geschichte promoviert und an der Boston University einen Master-Abschluss in internationalen Angelegenheiten erworben.
Der vorliegende Artikel erschien zuerst auf Englisch bei Responsible Statecraft in den USA.