Ukraine-Reformencheck

Seite 5: Polizeireform

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Es ist die Reform, die zuletzt für die meisten Schlagzeilen sorgt. Am Anfang Juli wurde in Kiew die neue Verwaltungspolizei präsentiert. Nach dem US-amerikanischen Beispiel aufgebaut, ersetzt diese Struktur nicht nur die weitgehend korrupte Verkehrsmiliz, sondern soll auch für die Ruhe auf den Straßen sorgen. Zunächst nur in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, die Ausweitung auf die Regionen soll aber in den nächsten Monaten kommen. In sozialen Netzwerken folgte ein echter Hype. Viele Kiewer zeigten sich von der Veränderung begeistert und posteten im Internet ihre Selfies mit neuen Polizisten, die tatsächlich fast wie in US-Spielfilmen aussehen.

Die Polizeireform war tatsächlich dringend notwendig. Nur zwei Prozenten hatten im April dieses Jahres laut Umfragen Vertrauen in die ukrainische Miliz, wie die ganze Struktur immer noch heißt. Es ist übrigens auch eine Spezialistin aus Georgien, die bei der Polizeireform eine tragende Rolle spielt. In diesem Fall geht es um Eka Sguladse, die als stellvertretende Innenministerin die Polizeireform übernahm und somit die gleiche Position und Aufgabe, die sie in Georgien innehatte.

Ihr größtes Ziel lautet, die Personalbasis der ukrainischen Polizei komplett zu wechseln. In die neue Verwaltungspolizei werden vor allem junge Menschen zwischen 21 und 35 Jahren aufgenommen, die im Falle Kiew vorher zwei Monate lang ausgebildet waren. Auch die Gehälter werden sichtlich erhöht, was in der Vergangenheit ein wichtiger Grund für die Korruption unter den Polizisten war.

Insgesamt ist es nicht der erste Versuch seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004, das ukrainische Innenministerium zu reformieren. Zum ersten Mal wird es aber anscheinend wirklich ernst. Aber bei weitem nicht problemlos. Das entsprechende Polizeigesetz trat noch nicht in Kraft, weil die nötige Unterschrift von Poroschenko seit Wochen aussteht. Die neuen Polizisten wissen nicht immer, wofür sie tatsächlich zuständig sind, und auch in Kiew müssen die neue Verwaltungspolizei und die alte Miliz immer noch koexistieren. Für Klarheit sorgt dies nicht. Eigentlich weiß kaum einer in der ukrainischen Hauptstadt, was die beiden Strukturen unterscheidet, wenn man den optischen Eindruck rausnimmt.

Außerdem ist es problematisch, dass der zuständige Minister Arsen Awakow, der seit 2014 das Innenministerium führt, der persönliche Vertraute des Oligarchen Ihor Kolomojskyj ist, was in der ukrainischen Politik als offenes Geheimnis gilt. Der Letztere ist einer der größten Nebenmänner der ukrainischen Politik, der seit diesem Jahr einen verdeckten politischen Krieg mit dem Präsidenten Petro Poroschenko führt - und das nicht immer mit den durch Gesetz erlaubten Mitteln (Ein Land, vier Oligarchen).