Negative weltwirtschaftliche Folgen durch Coronavirus werden deutlicher

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Börsen in China stürzen zeitweise ab, der Ölpreis bricht ein, Fabriken stehen still und nun wird sogar schon spekuliert, ob internationale Messen wie die MWC abgesagt werden müssen

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Während das Coronavirus weiter um sich greift, werden auch die Konsequenzen für die Wirtschaft Chinas und die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft immer deutlicher. Inzwischen geht man von schon von mehr als 25.000 Erkrankten und etwa 500 Toten weltweit aus, weshalb Notmaßnahmen verschärft werden. Am Montag brachen die Börsen in China zum Teil um Werte ein, wie man sie seit der Finanzkrise nicht mehr gesehen hat. So ging die Shanghaier Börse um knapp 8% in die Knie und verlor innerhalb eines Handelstages etwa 360 Milliarden Euro an Wert. In Shenzhen betrug das Minus sogar fast 8,5%. Prozent. Die Verluste waren damit noch deutlicher als 2016, als es zu einem regelrechten Ausverkauf an chinesischen Börsen kam.

Eine direkte Auswirkung ist, dass die Ölpreise einbrechen. Sie befinden sich teilweise auf dem tiefsten Stand seit gut einem Jahr. Der Grund dafür ist die Angst, dass die Folgen der Coronavirus-Epidemie deutliche Bremsspuren in der chinesischen Wirtschaft hinterlassen und damit die Nachfrage nach Öl weiter sinkt. Am Montag war der Referenzpreis für ein Barrel (etwa 159 Liter) der Nordseesorte Brent um 4% gesunken, damit fiel der Preis unter die Marke von 55 Dollar. Der Preis für die US-Sorte WTI verbilligte sich ebenfalls um rund 3% auf etwa 50 Dollar pro Fass.

In nur einer Woche ging der Ölpreis bis Dienstag um fast 10% in den Keller, konnte sich aber am Mittwoch wieder leicht erholen. Die Erholung war aber vor allem mit der Hoffnung verbunden, dass die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) ihre Öl-Förderung erneut kürzt, um die Preise zu stabilisieren. Trotz allem hat sich Öl seit Mitte Januar um fast 20% verbilligt. Insgesamt wird erwartet, dass die Preise weiter purzeln werden, schließlich ist China der größte Ölimporteur weltweit. Und dass Lagerbestände in den USA deutlicher als erwartet zugenommen haben, wird den Druck auf die Preise zudem erhöhen.

Wegen großflächiger Quarantäne-Maßnahmen geht in China das Verkehrsaufkommen deutlich zurück. Zudem hat die chinesische Regierung auch den Flugverkehr stark eingeschränkt und Millionenstädte abgeriegelt. Etliche Fluglinien wie die Lufthansa fliegen China nicht mehr an, womit auch außerhalb Chinas die Öl-Nachfrage sinken dürfte. Nach Angaben von Experten ist allein der Öl- Konsum in China schon um 20% eingebrochen. Gesprochen wird vom größten "Nachfrageschock" seit der globalen Finanzkrise 2008 und 2009. Der größte Raffineriebetreiber Chinas will zum Beispiel seine Produktion nun um 12% kürzen. Das wären allein pro Tag rund 600.000 Barrel Öl weniger.

Kürzung der Ölförderung wahrscheinlich

Und das alles hat, wie von den Experten vorausgesagt wurde, inzwischen dazu geführt, dass die OPEC am Mittwoch zur Notfall-Konferenz des Technischen Komitees in Wien geladen hatte, um über die Auswirkungen zu beraten. Erwartet worden war, dass die OPEC und einige Verbündeten wie Russland - die sogenannte "Opec plus"-Allianz - eine weitere Drosselung der Ölproduktion empfehlen werde.

Die OPEC will verhindern, dass der Ölpreis längerfristig unter die Marke von 50 Dollar pro Barrel fällt, schließlich hängen die Öl-Ökonomien wie die Saudi-Arabiens fast ausschließlich am Öl als Einnahmequelle. Das Defizit des Landes schießt massiv in die Höhe, wenn der Ölpreis zu niedrig ist. Es explodierte 2015 auf 10% und 100 Milliarden Euro, weil der Preis mit dem Ende der Iran-Sanktionen eingebrochen war. Die Saudis brauchen einen Preis zwischen 60 und 70 Dollar pro Barrel für einen ausgeglichen Haushalt.

Es geht, so war im Vorfeld zu vernehmen, vermutlich um eine weitere Förderkürzung um 500.000 Barrel Öl pro Tag. Erst im Dezember war die Förderung um diese Menge begrenzt worden. Nach diversen Förderkürzungen sollten damit von "Opec plus" insgesamt 2,1 Millionen Barrel Öl am Tag weniger produzieren werden, als noch im Oktober 2018. Auch Saudi-Arabien könnte nun zu weiteren Förderkürzungen bereit sein. Ausgeschlossen wird nicht, dass die Förderung angesichts des Nachfrage-Schocks nun sogar um bis zu eine Million Barrel pro Tag begrenzt werden könnte. Eine definitive Entscheidung fällt nach dem Treffen des technischen Komitees vermutlich erst Ende kommender Woche bei einem Krisentreffen auf Ministerebene.

Allerdings, das hatte Telepolis immer wieder berichtet, wurde von der Opec, die immer mehr an Bedeutung verloren hat, die Rechnung auch immer wieder ohne den Wirt gemacht. Denn die Fracking-Industrie in Nordamerika, denen die Saudis einst den Garaus machen wollten, hat bisher besonders von relativ hohen Preisen profitiert, die durch die Förderbegrenzungen der Opec erreicht wurden. Doch Opec-Förderkürzungen haben die USA alleine stets ausgeglichen, weiter für ein Überangebot gesorgt und viel Geld verdient. In den USA werden immer neue Förderrekorde erreicht. Zuletzt waren es Ende Januar sogar 13 Millionen Barrel täglich. Die Förderung wurde seit dem Tiefstand vom Sommer 2016 um mehr als 50% gesteigert. Bricht der Ölpreis ein, hat das natürlich auch Auswirkungen auf die US-Wirtschaft.

Doch zurück nach China und zu den Auswirkungen des Virus auf die Ökonomie. Klar ist, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr deutlich weniger Wachstum verzeichnen wird, als bisher geplant war. Und wie deutlich das Wachstum einbrechen wird, hängt unter anderem vom Fortgang der Epidemie ab, aber nicht nur davon. Denn im Handels- und Währungskrieg mit der Trump-USA gilt ja derzeit nur ein Waffenstillstand. Man darf gespannt sein, ob der Hasardeur Trump im Wahlkampf wieder die populistische China-Keule auspackt, um mit einem erneuten Crash-Kurs seine Siegeschancen zu erhöhen.

Analysten wie Nick Marro von der "Economist Intelligence Unit" in Hongkong gehen davon aus, dass das chinesische Wachstum sogar auf nur noch 4,5% oder weniger zurückgehen könnte, was für die Volksrepublik ein sehr schlechter Wert wäre. Marro sieht in dem Fall "erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft" zukommen: "Nicht nur auf das Weltwirtschaftswachstum, sondern auch auf den Welthandel. Das träfe vor allem Handelsnationen. Betroffen wären viele asiatische Staaten, aber auch Industrienationen wie Deutschland."

Abschätzbar ist die Lage bisher in China aber noch nicht wirklich, da viele Unternehmen nach den verlängerten Frühlingsfest-Feiertagen erst wieder aufmachen werden. Und dann wird sich zeigen, wie stark sich die Notmaßnahmen schon auf die Liefer- und Produktionsketten auswirken. Kann man das Airbus-Werk in China als Präzedenzfall nehmen? Wegen der Ausbreitung des Coronavirus hat der Flugzeugbauer sein Werk nämlich schon geschlossen. Die Fertigung in Tianjin südöstlich von Peking sei wegen "logistischen Herausforderungen" zum Erliegen gekommen. Die Fertigungsanlage in der Hafenstadt ist die einzige außerhalb von Europa. "Airbus verfolgt die Entwicklung der Lage beim Coronavirus und setzt die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation um", betonte der Konzern.

Die Sorgen um den Welthandel wachsen

Viele Unternehmen in China haben schon Krisenstäbe eingesetzt. Es werden Produktionspläne angepasst und geprüft, wie und ob man die Produktionsprozesse sicherstellen kann. Kommt es vermehrt zu Schwierigkeiten auch bei der Zulieferung, wie offensichtlich im Fall Airbus, dann könnte das auch für andere Firmen ähnliche Konsequenzen haben. Das gilt bereits zum Beispiel für den Autobauer Hyundai in Südkorea. Hyundai kündigte an, seine gesamte Produktion im Heimatland noch in dieser Woche auszusetzen. Der Grund: Es fehlen Teile aus China, und das macht sich in der Welt des "just in time" schnell bemerkbar. Analysten gehen deshalb längst davon aus, dass ähnliche Probleme auch viele andere Unternehmen treffen werden.

Die Auswirkungen schwappen auch schon nach Europa herüber. Es ist wohl weniger bedeutsam, dass in Zürich ein chinesisches Neujahrsfest abgesagt wurde. Viel bedeutender ist die Tatsache, dass längst Gerüchte ins Kraut schießen, dass internationale Messen abgesagt werden könnten. Im Fokus steht nun besonders die Mobile World Congress (MWC) in Barcelona Ende Februar. Es handelt sich um die weltweit größte Ausstellung der Mobile-Branche. Erwartet wurden bisher tausende Aussteller und etwa 100.000 Besucher aus aller Welt. Doch diese Vorgaben werden in diesem Jahr kaum zu halten sein, schon jetzt gibt es erste Absagen.

So hat die Panik bereits Auswirkungen auf die Ausstellerliste. Klar ist, dass der große koreanische Konzern LG nicht teilnehmen wird. Der Konzern begründet das mit der "Sicherheit der Beschäftigten und der Besucher", die man nicht einer möglichen Ansteckung bei internationalen Reisen aussetzen wolle. Etwas wirr war die Lage, was ZTE betrifft. Von einigen Seiten wird gemeldet, wie von der Netzwoche, dass auch die chinesische Firma ihre Teilnahme am MWC abgesagt habe. Von anderen Firmen habe man keine Angaben erhalten. Andere Seiten erklärten dagegen, dass ZTE seine Teilnahme am MWC doch bestätigt habe. Und das sagt auch der Twitter-Account der Firma, dass wie geplant in Barcelona neue Modelle vorgestellt werden.

Die Nervosität in Katalonien ist in der Frage allerdings einigermaßen groß. Für die Regionalregierung trat der zuständige Minister für Digitalpolitik Jordi Puigneró vor. Er rief dazu auf, keine Alarmstimmung zu verbreiten. "Ich möchte vor dem bedeutsamsten Technologie-Event weltweit eine Botschaft der Beruhigung verbreiten und keine Alarmstimmung." Er erklärte, die Messe werde normal zwischen dem 24 und dem 27 Februar stattfinden. Die katalanische Ministerin für Unternehmen Àngels Chacón trat den Gerüchten entgegen, dass die Regierung darüber nachdenke, die Messe ganz abzusagen. Von Seiten der Regierung habe man alle nötigen Maßnahmen ergriffen, erklärte Chacón. Sie schloss aber nicht aus, dass es zu Einschränkungen kommen könne und einzelne Treffen vielleicht abgesagt werden.

Auswirkungen auf Europa

Klar ist, dass diese Probleme nun auf ein Europa treffen, das ohnehin längst am Rand der Rezession steht. Eurostat konnte gerade nur noch ein Wachstum von 0,1% im letzten Quartal 2019 vermelden. Da es sich nur um eine Schnellschätzung handelt, ist durchaus möglich, dass die Eurozone schon stagniert, da nicht selten die Schätzung um 0,1 Punkte korrigiert werden muss. In großen Euroländern wie Frankreich und Italien schrumpfte die Wirtschaft zuletzt sogar wieder. In Frankreich ging die Wirtschaftsleistung nur um 0,1% zurück, in Italien schon um 0,3%.

Zu erinnern ist daran, dass Deutschland im vergangenen Jahr nur noch ein "Mini-Plus" von 0,6% verzeichnete und zeitweise gerade noch an der Rezession vorbeigeschrammt ist. Analysten waren zuletzt schockiert, dass auch die Industrieproduktion zurückgeht. Und zu erinnern ist ebenfalls daran, dass mit dem Brexit ein Problemfeld hinzugekommen ist. Der "Brexit-Schock", der einst apokalyptisch an die Wand gemalt wurde, um die Wähler abzuschrecken, kommt natürlich nicht. Aber der Brexit wird zunächst zu weiteren Belastungen auch für die Wirtschaft im Euroraum führen.

Und eines muss klar sein, die erratische Politik der Europäische Zentralbank (EZB) hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren die Null- und Negativzinspolitik nicht zurückgenommen wurde. Der Werkzeugkasten ist angesichts zunehmender Krisenzeichen weitgehend leer. Die Notmaßnahmen wurden sogar mit dem Abgang von Mario Draghi wieder ausgeweitet. Die EZB fährt also immer stärker im Krisenmodus, obwohl uns seit Jahren erklärt wird, dass die Krise vorbei ist. Und anders als der Brexit könnten, je nach Verlauf der Epidemie, die Vorgänge in und um China tatsächlich der Katalysator für eine neue tiefe Krise und Rezession sein, da es zahlreiche Problemfelder gibt.