Deutschland bremst EU-Gaspreisdeckel aus

Demonstration in Paris, am 15. Oktober 2022. Foto: Bernard Schmid

Heißer Herbst in Frankreich: Mehrere Zehntausende demonstrieren "Gegen das teure Leben" in Paris – trotz Gas- und Strompreisdeckel. In der EU nimmt der Druck zu, eine gesamteuropäische Lösung zu finden. Warum blockiert Deutschland?

Es kann als ein zentraler Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland angesehen werden, dass die Menschen im Nachbarland immer wieder kräftig streiken, für ihre Forderungen massiv auf die Straße gehen und der jeweiligen Regierung Zugeständnisse abringen.

Frankreich hat jedenfalls schon seinen heißen Herbst. Derzeit ist es wegen Streiks nun in einigen Bereichen des Landes alles andere als einfach, an Benzin oder Diesel zu kommen. Am Sonntag gingen - nach Angaben der Veranstalter - in der Hauptstadt Paris 140.000 Menschen auf die Straße, um "gegen das teure Leben und klimapolitische Untätigkeit" zu protestieren (siehe dazu: Opposition: "Gegen das teure Leben").

Aufgerufen hatte die "Neue ökologische und soziale Volksunion" (Nupes). Das ist ein Bündnis aus linken Parteien unter dem linken Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon und seiner Partei La France Insoumise (LFI). Angeschlossen hatten sich dem Aufruf auch Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen.

Eine Front gegen die Regierung

Geschaffen werden soll eine Front gegen die Regierung. "Da erwacht etwas und das ist ein sehr gutes Zeichen", erklärte die LFI-Abgeordnete Clémence Guetté. Sie sprach von einer "Demonstration der Stärke" angesichts der Tatsache, dass sich deutlich mehr als die 30.000 Menschen versammelt haben, die die Polizei erwartet hatte.

Der Marsch ist offenbar ein erster Höhepunkt eines neuen Kampfzyklus. Am Dienstag wird es zu einem branchenübergreifenden Streiktag kommen, mit dem die linke Gewerkschaft CGT auf den Versuch antwortet, den Streik in den Raffinerien unter anderem mit Zwangsverpflichtungen zu brechen.

Unter anderem streiken dann auch die Lokführer, auch der öffentliche Nahverkehr in Paris wird bestreikt, womit sich die Lage vor allem im Verkehrssektor weiter deutlich zuspitzen wird.

Frankreich erwacht gegen das teure Leben, obwohl sich in dem Land die Inflation sogar noch in Grenzen hält. Sie liegt mit offiziellen 6,2 Prozent weit unter dem Durchschnitt von zehn Prozent, den die europäischen Statistiker von Eurostat schon für die Eurozone im September geschätzt haben.

Die Preisdeckel in Frankreich, Druck in der EU

Dass die Inflation nur gut halb so hoch ist, wie im Durchschnitt der EU-Länder, hat vor allem damit zu tun, dass in Frankreich die Preise für Gas und Strom schon seit einem Jahr gedeckelt sind. So blieb der Gaspreis in diesem Jahr konstant. Der Strompreis wurde schon im vergangenen Jahr blockiert und durfte im Wahljahr 2022 nicht um mehr als vier Prozent erhöht werden.

Das bringt natürlich erhebliche Probleme für den ohnehin überschuldeten Stromriesen EDF mit sich, der dafür Milliarden vom Staat verlangt. Der muss die EDF wegen der verheerenden Energiepolitik aber ohnehin vollständig verstaatlichen.

Geschätzt wird, dass der Staat im laufenden Jahr schon etwa 15 Milliarden Euro aufbringen muss, um die Differenz zwischen den hohen Großmarktpreisen und den gedeckelten Verbraucherpreisen zu begleichen. Im kommenden Jahr sollen sich weitere 16 Milliarden auf den Schuldenberg des Staates aufhäufen, da das sogenannte "Tarifschutzschild" verlängert werden wird. Es war schon im Sommer bis zum Jahresende verlängert worden.

Obwohl auch im kommenden Jahr der Staat die Preise weiterhin abfedern will, wird sich die Energie auch für die Nachbarn im nächsten Jahr empfindlich verteuern, da weder Präsidentschafts- noch Parlamentswahlen anstehen.

Damit wird auch in Frankreich die Inflation deutlich ansteigen. Denn im kommenden Jahr sollen die Preise zwar deutlich moderater als bei den Nachbarn steigen, aber immerhin soll die Preissteigerung 15 Prozent betragen dürfen, womit auch der Kaufkraftverlust dort an Fahrt aufnimmt.

So werde die Staatskasse weiter geplündert, die Profite der Konzerne würden aber nicht angekratzt, kritisiert die linke LFI. So denkt man in der Regierung zum Beispiel nicht darüber nach, wie man Übergewinne verhindern oder auch nur abschöpfen könnte.

Innerhalb der EU nimmt der Druck zu, eine gesamteuropäische Lösung für die explodierten Energiepreise zu finden. So hatte sich auch der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in einem Brief an die EU gerichtet, um eine gesamteuropäische Reaktion für das Problem einzufordern.