Hallo, Mr. President ...
Seite 10: William Clinton
R. James Woolsey jr.
Bill Clinton hatte vor seinem Amtsantritt 1993 kein erkennbares Interesse an Außenpolitik gezeigt und maß ihr auch als Präsident keine Priorität bei. Clinton, dem die Geheimdienste seit seiner Studienzeit aufgrund von Inlandsspionageoperationen wie COINTELPRO suspekt waren, entließ seine CIA-Berater. Er kürte den für seinen Wortwitz bekannten Navy-Mann R. James Woolsey jr., der während der Nixon-Ära für die CIA gearbeitet hatte, zum neuen Spymaster. In den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit traf Clinton den CIA-Chef gerade zwei mal. Als kurz nach Clintons Amtsantritt ein Amokschütze vor der CIA-Zentrale Mitarbeiter niederschoss, ließ sich Clinton nicht einmal bei der Trauerfeier sehen. Angeforderte Pläne für verdeckte Operationen resultierten in Fehlschlägen, weshalb sich Clinton fortan lieber gleich ans Pentagon wandte. Als die Tragödie in Somalia begann, wussten Pentagon und CIA nichts über die dortigen Verhältnisse zu berichten. Das Engagement in Somalia wurde nach einer prestigefeindlichen Katastrophe abgebrochen und schürte das Misstrauen in die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Schlapphüte.
Einen vereitelten angeblich irakischen Mordanschlag auf Ex-Präsident Bush ließ Clinton zum Ärger von Woolsey mit einem sinnlosen Raketenangriff auf ein Gebäude in Bagdad vergelten, bei dem Zivilisten getötet wurden. Clinton wollte auf Haiti Jean Betrand Aristide unterstützen, ohne zu wissen, dass die herrschende Militärjunta aus CIA-Agenten bestand, die es nun zu entmachten galt. Als nächstes ignorierte Clinton die CIA-Warnung vor einem Völkermord in Ruanda.
Hatte Präsident Bush zuvor die Moral gehoben, indem er den CIA-Leuten Status vermittelte, etwa zu Weihnachtsfeiern ins Weiße Haus einlud und reges Interesse an ihrer Arbeit bewies, so scherte sich Clinton in keiner Weise um die CIA. Viele gekränkte Veteranen verließen die Agency. Interesse an Langley hatte stattdessen der langjährige Gegner gezeigt: Die Behörde verlor ihr Gesicht durch die peinliche Enttarnung von hochrangigen Maulwürfen wie Aldrich Ames, was zu dem Schluss führte, dass die meisten „Quellen“ in der früheren Sowjetunion Doppelagenten des KGB waren. Eine Kommission, der Rechtskonservative wie Wolfowitz sowie der frühere CIA-Mann Porter Goss angehörten, gab der CIA den Rest. Ende 1994 trat Woolsey zurück.
John Deutch
Nachdem der seit drei Jahrzehnten in Sicherheitskreisen erfahrene John Deutch seinem Präsidenten vergeblich einen Nachfolger für den Schleudersitz gesucht hatte, bezog er widerwillig schließlich selbst den Posten im demoralisierten Langley. Trotz modernster Spionagesatelliten entdeckte die CIA den Massenmord von Srebrenica erst etliche Wochen später. In Frankreich wurde eine CIA-Agentin bei Wirtschaftsspionage erwischt und geräuschvoll ausgewiesen. Da in Zentralamerika CIA-Leute die Politik der Regierung Clinton konterkarierten und stattdessen ihre rechtsgerichteten Kontaktleute etwa in Guatemala unterstützten, sah sich Deutch zu Versetzungen veranlasst.
Auf Befehl Clintons arbeitete die CIA jahrelang daran, einen militärischen Staatsstreich gegen Saddam Hussein zu unterstützen. Der aufgeflogene Plan endete mit Massenexekutionen. Deutch machte sich unbeliebt, als er dem Kongress mitteilte, die CIA werde das Problem mit Hussein niemals lösen können. Nach Clintons Wiederwahl gab der Präsident Deutch den Laufpass, konnte jedoch zunächst keinen Nachfolger durchsetzen.
George Tenet
George Tenet rückte 1997zum Chef auf und trat an, die CIA neu aufzubauen. Tenet machte beträchtliche finanzielle Mittel locker, rief namhafte Leute aus dem Ruhestand zurück und bemühte sich um neues Personal. Bislang waren Bewerber wegen schlechter Englischkenntnisse abgelehnt worden, sodass die CIA kaum über Leute verfügte, welche die Sprache ihrer Feinde verstanden, etwa arabisch oder koreanisch.
Unter Tenet machte sich die CIA erneut einen Namen für schlechte Auswahl von Bombardierungszielen: Im Jugoslawienkrieg bemühte die CIA Stadtkarten für Touristen als Informationsquellen. Sie schlug Clinton zur Bombardierung ein Haus vor, das sich hinterher als die chinesische Botschaft herausstellte, welche Todesopfer zu beklagen hatte. Nach den Anschlägen auf die Botschaften in Kenia und Tansania wurde endlich ein wegen Hussein zurückgestelltes Problem in Angriff genommen: Der ehemalige CIA-Partner Osama bin Laden. Auch hier empfahl die CIA als Bombenziel auf sehr vager Informationsquelle eine angebliche Giftgasfabrik im Sudan, die tatsächlich nur pharmazeutische Produkte herstellte. Obwohl die CIA später bis auf 50 m mehrfach genau über bin Ladens Position informiert war, zögerte Tenet, den zum Abschuss freigegeben durch Predator-Dronen zu liquidieren, da er keine falsche Zielauswahl mehr riskieren wollte.
Seine CIA wurde vom Atombombentest Indiens genauso überrascht wie kurz darauf von dem Pakistans.
Bereits 1998 warnte Tenet davor, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis bin Laden auf US-Boden zuschlagen werde. Zu den gängigen Szenarien gehörten unter anderem Anschläge mit Flugzeugen. 1999 benannte Tenet das CIA-Hauptquartier in George Bush Center for Intelligence um.