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Seite 11: George Walker Bush

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George Walker Bush

Der neue Präsident George W. Bush beließ Tenet, der sich um den Wiederaufbau der am Boden gelegenen Behörde verdient gemacht hatte, 2000 auf seinem Posten. Beinahe täglich unterrichtete Tenet bzw. sein Stellvertreter John McLaughlin Bush persönlich über die Sicherheitslage. Im Pentagon hatte CIA-Skeptiker Donald Rumsfeld erneut Platz genommen, während CIA-Kritiker Cheny als Vizepräsident agierte.

Nach den Anschlägen vom 11.September 2001 geriet die mangelnde Effizienz der CIA erneut in die Schusslinie. Die Suche nach bin Laden verlief ergebnislos. Ein zur High Tech-Festung hochgeschriebenes Höhlensystem bei Tora Bora verfügte nicht einmal über elektrisches Licht. Afghanische Warlords, die Tenet persönlich in Washington hofiert hatte, wandten sich gegen die USA. Wie wenig die CIA-Zentrale vom Nahen Osten verstand, dokumentierte der bislang in der Region führende Ex-CIA-Agent Robert Baer in seiner Biographie.

Den Tiefpunkt von Tenets Karriere bildete die Affäre um den Märchenerzähler Curveball: Ein irakischer Asylbewerber hatte sich Vorteile bei den deutschen Behörden erhofft, indem er „Hinweise“ über die von den USA und der UNO vergeblich gesuchten irakischen Massenvernichtungswaffen geben könne. Seine Geschichten aus Tausend und einer Nacht über „rollende Labors“ glaubten weder der Bundesnachrichtendienst so recht, noch der CIA-Chef für Westeuropa Tyler Drumheller. Obwohl die CIA eine hochrangige irakische Quelle hatte, welche den Besitz von Massenvernichtungswaffen ausschloss, betrachtete das Weiße Haus die ungeprüfte Information zur als durch „harte Beweise gestützt“. Hatte Drumheller persönlich auch die „rollenden Labors“ aus einer für den populären Außenminister Colin Powell vorbereiteten Rede gestrichen, so fand das Gerücht dennoch Eingang in Powells berühmt gewordene Rede vor der UNO. Zwar erzielte die Rede in den USA den gewünschten Erfolg, bei der UNO hatte man jedoch noch vom ersten Golfkrieg her Krankenschwester Nayirah, die keine war, in bester Erinnerung.

Im Irak verließ sich das Militär mehrfach auf CIA-Informationen über die angebliche Position von Hussein, den es vergeblich mit Cruise Missiles jagte. Die Berichte über die CIA-Foltermethoden etwa in Abu Ghraib zeigten der Welt abermals das hässliche Gesicht der Nation, welche als erste die Menschenrechte in der Verfassung proklamiert hatte. Als sich auch nach dem Krieg die „Massenvernichtungswaffen“ nicht finden lassen wollten, sollte Tenet das Bauernopfer geben.

Ein Kongressausschuss unter Federführung des rechtskonservativen früheren CIA-Manns Porter Goss untersuchte das Versagen der CIA vor dem 11.September. Goss und seine „Gosslinge“ genannten Leute besuchten allerhand CIA-Stationen und fertigten Listen über als politisch nicht zuverlässig bewertete Mitarbeiter. Die Regierung Bush befürchtete Indiskretionen aus CIA-Kreisen, welche der anstehenden Wiederwahl schaden könnten, etwa solche über Bushs Zeit bei der Nationalgarde. Goss´ Listen schürten ein Klima der Verschwörung, in dem sich karrierebewusste CIA-Leute gut überlegten, wessen Kollegen Party sie besuchten. Das Weiße Haus steckte einem konservativen Journalisten, dass die Frau eines Botschafters, der sich als prominenter Gegner des Irakkriegs einen Namen gemacht hatte, CIA-Agentin war, um dessen Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Der CIA-Chef für Westeuropa, Tyler Drumheller beschrieb die gespannte Atmosphäre in seinem Enthüllungsbuch als „Krieg zwischen der CIA und dem Weißen Haus“.

Mitte 2004 trat Tenet schließlich zurück. Seinen Frust verarbeitete Tenet ebenfalls in einem Buch.

John E. McLaughlin

Der Stellvertreter des bei seinen Leuten beliebten Tenet John E. McLaughlin übernahm kommissarisch bis zur anstehenden Präsidentschaftswahl die Leitung und berichtete Bush beinahe täglich. Der begeisterte Amateurzauberkünstler, der in der Agency als „Merlin“ bekannt war, entzückte die Presse mit Kunststückchen. Die Zeit der Tricks und Illusionen, die man ansonsten mit der CIA verband, war jedoch vorbei. Nach der Wiederwahl Bushs nahm auch McLaughlin seinen (Zauber-)Hut.

Porter Goss

Wie befürchtet, berief Bush den lautesten Kritiker der als bürokratisch verschrieenen CIA zum neuen Direktor. Der rechtskonservative Porter Goss hatte noch unter Dulles, McCone und Helms gedient, war 1962 für Kommandoaktionen gegen Kuba verantwortlich gewesen, hatte es nach seinem Ausscheiden zum Multimillionär gebracht und war während einer politischen Karriere in hohe Kreise der Geheimdienstwelt zurückgekehrt. Goss, der als der politischste aller CIA-Direktoren beschrieben wurde, führte eine Säuberungsaktion durch, mit der er „liberal“ eingestellte CIA-Leute wie altgediente, die ihm nutzlos erschienen, aus der Agency entfernte und zu unbedingter Loyalität zum Präsidenten aufrief. Schlüsselpositionen wurden mit „Gosslingen“ besetzt. Erneut verlor die CIA einen Großteil ihres Gedächtnisses.

Der Hass, den Goss innerhalb der CIA-Gemeinde heraufbeschwor, entlud sich in öffentlicher Kritik am Behördenleiter. Die unter Webster beendete illegale Inlandsaufklärung wurde unter Verwendung der technologisch nahezu allmächtigen NSA heimlich wiederaufgenommen. Die Befürchtungen der 40er Jahre, die US-Regierung wolle eine Art amerikanische GeStaPo aufbauen, riefen sich manchen in Erinnerung.

Wie alle seiner Vorgänger beklagte Goss, dass es einfach keine guten Leute gäbe, die man rekrutieren konnte. Weder gute Feldagenten, noch fähige Analysten. Über das koreanische und das iranische Atomprogramm besaß die CIA keine harten Informationen. Die Regierung Bush nahm endlich ein bereits seit etlichen Jahrzehnten diskutiertes Projekt in Angriff, in dem es einen Oberhäuptling für die inzwischen 15 rivalisierenden US-Geheimdienste installierte. Zwar hatte der CIA-Chef traditionell automatisch auch den Vorsitz eines entsprechenden Komitees geführt, jedoch praktisch nur auf dem Papier. Zu seiner Überraschung wurde Goss bei der Wahl zum Director of National Intelligence übergangen. Stattdessen berücksichtigte man den in Sachen Menschenrechtsverletzung und Todesschwadronen seit den Tagen der Reagan-Administration erfahrene John Negroponte wurde zum Zaren der amerikanischen Geheimdienstwelt.

Der noch von Goss selbst initiierte Kommissionsbericht über die Leistungsfähigkeit der CIA fiel verheerend aus und führte 2005 zur Gründung eines neuen Geheimdienstes für die Aufklärung mittels Spionen und Geheimoperationen, dem National Clandestine Service, welcher der CIA berichtspflichtig ist.

Überraschend verließ Goss die CIA bereits Mitte 2006. Eine Woche später filzte das FBI das Büro von „Ethics Guy“ Kyle "Dusty" Foggo, dem dritthöchsten Mann der CIA, dem derzeit wegen des Vorwurfs von Betrug, Verschwörung und Geldwäsche der Prozess gemacht wird. Am gleichen Tag wurde ein CIA-Partner wegen Totschlags an einem Afghanischen Gefangenen verurteilt, der sich freiwillig zu einem Verhör gestellt hatte – ein Fall, der die arabische Welt in ihrer Sicht auf die USA erneut bestätigte. Ein italienisches Gericht suchte CIA-Agenten, die auf italienischem Boden Entführungen durchgeführt hatten; ein deutsches interessierte sich für den Fall des aufgrund einer Verwechslung verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri; die kanadische Regierung entschädigte einen irrtümlich von der CIA zehn Monate inhaftierten Kanadier.

Michael Hayden

So reich die Geschichte der anrüchigen CIA an Skandalen ist, so glanzvoll hatte sich der National Security Agency (NSA) entwickelt, dem personell größten Geheindienst der Welt. Zwar war die Existenz Behörde selbst bis in die 90er Jahre ein Staatsgeheimnis gewesen, doch der Ruf des amerikanischen Abhörgeheimdienstes, dessen Geschichte durch James Bamfords Enthüllungsbücher nunmehr halbwegs dokumentiert ist, ist so legendär wie beängstigend. Als Hollywood die unheimliche Behörde zum Thema des Blockbusters Staatsfeind Nummer Eins machte, hatte der NSA-Direktor Michael Hayden den Drehbuchautoren sowie der Presse zur Vertrauensbildung einen Einblick in die Behörde gewährt. Hayden hatte es zu verantworten, dass die NSA die eigenen Bürger belauschte und damit die Verfassung brach.

Der aktive General und bisher am längsten amtierende NSA-Chef Hayden war bereits als Vizedirektor der National Intelligence in die CIA eingebunden und wechselte 2006 unter großspurigem Getöne in die Leitung des Spionageclubs von Langley, für den er 2007 zum 60-jährigen Bestehen um Vertrauen durch Freigabe von Akten werben wollte. Ohne fähiges Personal vermochte jedoch auch Hayden keine brauchbaren Informationen über die irakische Widerstandsbewegung zu liefern. Nachdem der fünfte CIA-Stationschef in Bagdad verschlissen war, orientierte sich das Weiße Haus wieder am Pentagon oder hielt sich an die boomenden privaten Sicherheitsfirmen im Irak. Viele frühere CIA-Leute waren von solchen privaten Sicherheitsfirmen, die niemandem Rechenschaft schulden, abgeworben worden. Ein Berater solcher Sicherheitsfirmen, Amiral a.D. Mike McConnel, war nun zum Director of National Intelligence aufgestiegen. Die nach dem 11.September boomende Rüstungsindustrie hatte nunmehr die Staatsverwaltung gleichermaßen umgangen wie durchdrungen, wie es Eisenhower in seiner berühmt gewordenen Abschiedsrede vorausgesehen hatte. In dem Konglomerat „Carlyle Group“, dem führende Rüstungsfirmen gehörten, finden sich die Namen vieler ehemaliger Spitzenpolitiker, Militärs und CIA-Leute wieder, etwa der des Präsidentenvaters. Haydens neueste Konkurrenz formierte sich Anfang 2007 als „Total Intel“, gegründet von hochrangigen Ex-CIA-Leuten.

Haydens CIA hat heute die Funktion, junge Leute auszubilden, bis diese sich dem brain drain in die Privatwirtschaft anschließen.

Schon Nixon pflegte sich über das Ausland aus der Zeitung zu informieren, Reagan kannte es nur aus dem Kino, Clinton von CNN. Wie man sich als CIA-Chef beim direkten Dienstherrn im Weißen Haus Gehör verschafft bzw. gegen Einflüsterer durchsetzt, gehört wohl zu den vielen Geheimnissen, die der CIA verborgen blieben und bleiben werden. In Sachen Iran soll es der CIA trotz sechs Briefings pro Woche nicht gelungen laut Bush sein, ihre Einschätzung über den Iran zu vermitteln. Vielleicht lag es ja am Verlust der enttarnten CIA-Agentin Valerie Plame, die an der Iran-Frage gearbeitet hatte – enttarnt vom Weißen Haus.