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Seite 5: Richard Nixon

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Richard Nixon

Helms überlebte den Regierungswechsel von 1969, wurde jedoch von Richard Nixon faktisch kalt gestellt: Helms Memos stapelten sich ungelesen, bis Nixons Sicherheitsberater Henry Kissinger Helms wissen ließ, er werde künftig der alleinige Ansprechpartner sein. Nixon, der laut Helms jedem misstraute, hatte die CIA für seine frühere Wahlniederlage verantwortlich gemacht, weil er Dulles zu Unrecht unterstellt hatte, Herausforderer Kennedy über die geheimen Invasionspläne in der Schweinebucht informiert zu haben, woraufhin Kennedy die offizielle Tatenlosigkeit im Wahlkampf instrumentalisiert hätte.

Nixon und Kissinger ließen die CIA über ihre Verhandlungen mit den damaligen Hauptgegnern wie der Sowjetunion, China und Nordvietnam im Unklaren – soweit bekannt, hatte die CIA bis dahin nicht einen einzigen chinesischen Agenten geworben. Helms informierte Nixon über seine Einschätzung, die Sowjets hätten weder die Absicht, die USA anzugreifen, noch seien sie zu einem nuklearen Erstschlag technologisch in der Lage. Diese Meinung kollidierte jedoch mit Nixons Fantastereien über ein von ihm propagiertes Antiraketensystem. Widerwillig „korrigierte“ Helms „seine“ Einschätzung.

Die seit Gründung der CIA laufenden Programme wie die Finanzierung von Politikern in Westeuropa, Radiopropaganda in die Sowjetunion sowie Wahlbeeinflussung und Umstürze in blockfreien Saaten wie Thailand, Laos und Chile wurden fortgesetzt.

Nixon hatte für die CIA einen wichtigeren Auftrag: Das eigene Volk und seine direkte Umgebung auszuspähen, was trotz Verfassungswidrigkeit in Maßen bereits seine Vorgänger getan hatten. Helms sollte Nixons Verschwörungstheorie beweisen, die amerikanische Friedensbewegung sei von ausländischen Mächten gesteuert. Anhaltspunkte hierfür wurden nie gefunden.

Nixon bestellte auch den Direktor des Abhörgeheimdienstes NSA ein, um ihm das verfassungswidrige Abhören der eigenen Leute vorzuschlagen. Der NSA-Chef wies ihn höflich darauf hin, dass man genau das bereits seit 20 Jahren tat – so geheim, dass nicht einmal der Präsident davon wusste.

Um herauszufinden, wem Nixon vertrauen konnte, ließ er das Weiße Haus sowie Camp David mit modernster Technologie verwanzen – was ihm später zum Verhängnis werden sollte. Der Präsident platzierte eigene Leute in der CIA, die Helms kontrollieren und den eigenen Geheimdienst ausspionieren sollten. Einer von ihnen war der republikanische Wahlkampfspendensammler William Casey, dem Nixon den heimlichen Auftrag erteilt hatte, Helms zu sabotieren.

Der einstige Wahlverlierer Nixon hatte bereits 1964 geäußert, er hätte damals einen von der CIA unabhängigen Geheimdienst aufgezogen. Nach seinem verspäteten Einzug ins Weiße Haus baute er tatsächlich einen solch unabhängigen Mini-Geheimdienst: Um die Lecks gegenüber der Presse abzudichten, stellte Nixon eine Truppe „Klempner“ aus ehemaligen CIA-Leuten zusammen, unter anderem Exilkubanern. Nixon ließ den eigenen Sicherheitsrat mit Wanzen abhören, darunter sogar die Praxis eines Psychiaters, der eines der Mitglieder betreute. Als sich die Klempner bei einem Einbruch in die Wahlkampfzentrale des politischen Gegners im Watergate-Hotel erwischen ließen, bei dem es unter anderem um Schmiergelder für Nixon ging, verlangte der Präsident von Helms, er solle die Aktion als CIA-Operation deklarieren und den Kopf hinhalten. Helms, der nach der Meldung, ehemalige CIA-Leute seien bei einer illegalen Inlandsaktivität festgenommen worden, aus allen Wolken gefallen war, lehnte dankend ab – und musste gehen. Man lobte ihn auf einen Botschafterposten ausgerechnet nach Moskau weg, den Helms in einen solchen im Iran umwandeln konnte. „The man is a shit“ fluchte Helms über Nixon. “Get rid of the clowns” spottete Nixon über die CIA, deren 40.000 Leute dafür bezahlt würden, die Zeitung zu lesen. In weiser Voraussicht ließ Helms alles vernichten, was ihn später belasten könnte – fast alles.

James R. Schlesinger

Nach Nixons Wiederwahl wurde sein Vertrauter James Schlesinger 1973 neuer CIA-Direktor. Er entließ Hunderte von Analysten, was ihm ernstgenommene Morddrohungen einbrachte. Auf Betreiben seiner rechten Hand William Colby trennte man sich auch von Abwehrchef James Jesus Angleton, dessen paranoide Verschwörungstheorien über sowjetische Unterwanderung seine Abteilung gelähmt hatten. Über die Sowjetunion, Nordkorea und Nordvietnam wussten die amerikanischen Spione noch immer so gut wie nichts. Vom Sechs Tage-Krieg wurde die CIA völlig überrascht. Nixon hatte das entsprechend falsche Memo ohnehin nicht gelesen.

Nachdem der Watergate –Skandal immer tieferer Abgründe erkennen ließ, sah sich Schlesinger veranlasst, per Rundschreiben alle Mitarbeiter aufzufordern, ihn über dunkle Kapitel der Firmengeschichte zu informieren.

William Colby

Wie geplant, war die CIA für Schlesinger nur eine Durchgangsstation, die er nach nur sechs Monaten wieder verließ. Nach seinem Aufstieg zum Verteidigungsminister wurde William Colby neuer Häuptling. Colby hatte zuvor in Vietnam die berüchtigte Operation Phönix geleitet, bei der mindestens 20.000 Vietnamesen getötet worden waren, weil sie des Kommunismus „verdächtig“ waren. Hierzu soll die subversive Kunst des Lesens ausgereicht haben, die eine Anfälligkeit für Kommunismus indizierte. Zur Abschreckung hatte man den Leichen ein Pik Ass in den Mund gelegt. Eine von Colbys Leuten praktizierte Verhörmethode bestand im Abwurf bereits verhörter Gefangener aus Helikoptern, was die mitfliegenden Verhöropfer nicht unbeeindruckt ließ. Langfristig hatte sich das Mordprogramm nicht ausgezahlt: die Niederlage der CIA wurde durch den Fall von Saigon besiegelt, bei der die Agency ihre Leute unter dramatischen Umständen hatte evakuieren müssen.