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Seite 6: Gerald Ford
Im Zuge des Watergate-Skandals war Nixon 1974 einem Amtsenthebungsverfahren durch Rücktritt zuvorgekommen und von Vizepräsident Ford beerbt worden. Während früher Vizepräsidenten über wichtige Staatsgeheimnisse im Unklaren gelassen worden waren, hatte Colby Ford auf dem Laufenden gehalten. Etwa über das Jennifer-Projekt, bei dem die CIA 400 Millionen Dollar buchstäblich bei dem Versuch versenkte, ein gesunkenes sowjetisches U-Boot zu bergen, was – soweit bekannt – nur teilweise glückte. Doch Ford wollte von der CIA nichts wissen, sodass der Chefspion den Präsidenten nur über Kissinger und General Norman Haig sprechen konnte.
Enthüllungsjournalist Seymour Hersh bekam Ende 1974 Wind von der CIA-Inlandsspionage gegen die Friedensbewegung, die Colby auf den gefeuerten Angleton schob. Nun befasste sich auch Ford mit den „Familienjuwelen“. Nachdem Justizminister Silberman auf Herausgabe von Akten insistierte und herausfand, dass Helms, der bei seiner Anhörung vor der Ernennung zum Botschafter im Iran u.a. über die Beteiligung der CIA am Putsch in Chile unter Eid gelogen hatte, ließ Ford seinen Vizepräsident Nelson Rockefeller und den damaligen Stabsbeamten Donald Rumsfeld wissen, dass entsprechende Enthüllungen die CIA zerstören würden. Helms wurde eingeflogen und musste Kissinger alles beichten. Als Ford hierdurch erstmals von den Mordprogrammen erfuhr, sah er seine einstige Arbeit für die Warren-Kommision in ganz anderem Licht. Rumsfeld schlug zur Schadensbegrenzung vor, statt einer juristischen Aufarbeitung eine politische Kommission einzusetzen und stellte die nach ihrem Vorsitzenden Vizepräsident Rockefeller benannte Kommission aus rechtsgerichteten Republikanern zusammen, darunter der kalifornische Ex-Gouverneur Ronald Reagan. Dem folgte eine breitere Untersuchung durch Senator Frank Churchs Komitee, dem prominente Demokraten wie Walter Mondale angehörten.
Ford entschied sich für eine bemerkenswerte PR-Strategie: Er lud den Herausgeber und ältere Redakteure der New York Times, in der etwa Hersh publizierte, und setzte diese ohne Not in Kenntnis der politischen CIA-Morde. Er malte ihnen aus, wie die Nation bei Enthüllung ihr Gesicht verlieren würde. Fords Rechnung ging auf: Die Presse machte von ihren Freiheiten keinen Gebrauch. Colby allerdings wurde der Vorwurf gemacht, der Presse mehr zu verraten, als es für einen Geheimdienstchef schicklich sei. Da er zu belastet war, musste er für die Regierung das Bauernopfer geben.
George Herbert Walker Bush
Als neuen Spymaster wählte Ford 1976 einen republikanischen Ölunternehmer, der sich erfolglos zur Wahl als Gouverneur gestellt hatte. Es handelte sich um den Sohn von Allen Dulles engem Freund Prescott Bush, jenes rechtsgerichteten Häuptlings der sagenumwobenen Geheimgesellschaft „Skull&Bones“: George Herbert Walker Bush. Die Wahl Bushs, der sowohl dem umstrittenen Rechtsaußenpolitiker Barry Goldwater als auch dem gestrauchelten Nixon Loyalität erwiesen hatte, stieß auf Ablehnung etwa von Senator Frank Church. Der Widerstand konnte jedoch durch Bushs Versprechen gebrochen werden, nicht für die Präsidentschaft oder Vizepräsidentschaft zu kandidieren. Für Bush war der Geheimdienst der schmutzigen Tricks genau das Richtige. Seine härtesten Kämpfe bestritt der Auslandsspionagechef an der heimischen Front: Bush stritt sich mit dem inzwischen erstmals zum Verteidigungsminister aufgestiegenen Rumsfeld um Budget und Kompetenzen. Rumsfeld selbst fühlte sich sogar von der CIA verfolgt. Unter Bushs Ägide engagierte sich die CIA im erdölreichen Angola des Diktators Mobuto, wohin er mit Kissinger den Kalten Krieg exportierte. Den von Moskau und Havanna unterstützten Gegnern kam jedoch der US-Kongress zugute, welcher der verdeckten Operation die finanziellen Mittel entzog. Politiker Bush verstand es, der moralisch angeschlagenen Agency ihren Stolz zurückzugeben. So weigerte er sich mannhaft, Fragen des Church-Komitees zu beantworten.
Da die CIA die militärische Stärke der Sowjets angeblich als zu harmlos einschätzte, installierte Ford außerhalb der Agency eine Gruppe rechtsgerichteter Personen um den Erfinder der „Raketenlücke“ General Daniel O. Gravitz, den Abrüstungsgegner Paul Wolfowitz und den CIA-Kritiker William Casey, Donald Rumsfeld und Richard Pearl. Dieses Team B lieferte Ford Informationen über die angeblich verdoppelte Anzahl von im Bau befindlichen Bombern und übertrieb das nukleare Potential dramatisch, obwohl die Sowjets ihre Militärausgaben gerade zurückfuhren. Team B orakelte von geheimen Wunderwaffen und gab die Verschwörungstheorie eines angeblich geplanten sowjetischen nuklearen Krieges aus. Bushs CIA, die trotz technologischem Aufwand wie Spionagesatelliten noch immer kein effizienter Nachrichtendienst geworden war, konnte bzw. wollte diese Einschätzungen nicht widerlegen, zumal die Sowjets die amerikanische Paranoia durch Übertreibungen ihrer Kampfkraft bedienten, etwa durch Raketen-Attrappen bei ihren Paraden. Die Horror-Szenarien von Team B stimulierten das Pentagon zur Erhöhung der Rüstungsausgaben. Nach dem Ende des Kalten Kriegs ergab eine Untersuchung, dass es nie eine Raketen- oder Bomberlücke gegeben hatte. Nicht eine einzige Behauptung der Märchenerzähler von Team B entsprach der Wahrheit. Die Illusionen über den scheinbar übermächtigen wie aggressiven Gegner hatten sich jedoch als brauchbar erwiesen, um einen auf dem Abstieg befindlichen Schauspieler namens Ronald Reagan zu profilieren.
Die Liaison zwischen der CIA und Bush wurde nach einem Jahr durch den Wahlsieg Howard Carters von 1977 beendet.