Washingtons Putschplan wiederholt gescheitert
- Washingtons Putschplan wiederholt gescheitert
- Coup 5: Der Puschplan am 30. April
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US-Sicherheitsberater schiebt die Schuld für den gescheiterten Putschversuch am Dienstag den Venzolanern zu und erklärt, wie man sich den Regierungssturz gedacht hatte: Kleine Geschichte des Scheiterns
In Venezuela ging der Putschplan vor den geplanten Massendemonstrationen wie schon die anderen Coups schief. Die Strategen im Weißen Haus dürften allmählich erkennen, dass sie mit Juan Guaidó, protegiert von Leopoldo López, dem Parteichef der Voluntad Popular, und der Ende 2017 gegründeten antisozialistischen und proamerikanischen Lima-Gruppe, auf das falsche Pferd gesetzt haben. Das könnte auch umgekehrt für die venezolanische Opposition, die hinter Guaidó steht, nicht anders sein. US-Sicherheitsberater John Bolton hat verraten, wie man sich den Putsch vom 30. April vorgestellt hatte.
Der bis dahin auch in Venezuela kaum bekannte Politiker aus dem Bundestaat Vargas, erhielt erst im Januar als Präsident der Nationalversammlung Aufmerksamkeit, die 2017 bereits von Maduro entmachtet wurde, der stattdessen die Verfassungsgebende Versammlung einberief. Man muss davon ausgehen, dass mit seiner Installierung bereits ein in Washington ausgeheckter oder zumindest unterstützter Plan für den Regierungssturz vorgelegen hat, den Guaidó dann mit der Rückendeckung aus Washington umsetzen sollte. Da er sowie seine politischen Ziele bis dahin weitgehend unbekannt waren, schien es möglich, den jungen Politiker als unbeschriebenes Blatt zur Vereinigung der Opposition und für das Volk als Erlöser auftreten zu lassen, auf den alles projiziert werden kann. Dass er von Washington gefördert und protegiert wurde, ließ ihn mächtig erscheinen, gleichzeitig wurde er so als machtstrategisches Instrument des Auslands kenntlich.
US-Präsident Trump konnte 2018 offenbar gerade noch zurückgehalten werden, militärisch gegen die Maduro-Regierung vorzugehen. Von wem der versuchte Anschlag mit bewaffneten Drohnen ausging, ist nicht klar, aber es wurde im Weißen Haus spätestens mit der Berufung von John Bolton mit seinen vielfältigen Erfahrungen der Macht- und Geheimpolitik aus dem Kalten Krieg an Plänen gestrickt, wie Maduro über die ökonomische Strangulation hinaus gestürzt werden kann. Nur ein Putsch oder Zerfall kann nicht im Interesse der US-Regierung liegen, die - wie das auch in der Ukraine der Fall war - erst Politiker aufbauen muss, die amerikanische Interessen vertreten. Strategie ist eigentlich immer dieselbe: Freiheit gegen Tyrannei, Freiheit gegen Sozialismus, was dann auch gegen die Demokraten eingesetzt wird. Donald Trump gibt sich als Menschenretter, es würden Menschen auf den Straßen verhungern, sagte er erst gestern noch einmal.
Coup 1: Selbsternennung als legitimer Präsident
Was in der Ukraine zunächst Jazenjuk war, wurde Guaidó für Venezuela. Turnusgemäß stellte seine Partei, bestehend aus 14 Abgeordneten, die Präsidentschaft. Guaidó trat, da Parteichef Lopez unter Hausarrest war, die Präsidentschaft am 5. Januar an, 5 Tage bevor Nicolas Maduro nach den auf Mai 2018 vorgezogenen umstrittenen Wahlen, deren Ergebnis von der Lima-Gruppe, der OAS, der EU und den USA nicht anerkannt wurde. Guaidó bezeichnete die Maduro-Regierung als illegitim, die OAS zog mehrheitlich, die Nationalversammlung folgte und schließlich rief sich Guaidó am 23. Januar mit Unterstützung der Nationalversammlung und unter Berufung auf Artikel 233 der Verfassung zum Übergangspräsidenten aus.
Sofort wurde er von Trump, der Lima-Gruppe, der EU - nach einem Ultimatum - und schließlich von mehr als 50 Staaten als legitimer Präsident anerkannt, die US-Regierung drohte mit militärischer Intervention, alle Optionen seien auf dem Tisch. Um vor allem Militär und Polizei zum Überlaufen zu bewegen, wurde in aller Eile ein Amnestiegesetz am 25. Januar verabschiedet. Ob die Selbsternennung legitim war, kümmert die angeblichen Demokratiefreunde wenig, zudem müssten binnen 30 Tage Neuwahlen in Gang gesetzt werden, was heißt, dass Guaidó nach der Verfassung spätestens seit dem 23. Februar kein legitimer Übergangspräsident mehr ist. Für das Weiße Haus ist, Stand 1. Mai, Guaidó: der "duly elected constitutional leader".
Coup 2: Wiedereinreise nach Venezuela
Guaidó wurde daraufhin untersagt, ins Ausland zu gehen, was er dennoch machte und zu einer Rundreise in die Länder Lima-Gruppe nutzte, um den ersten Umsturzversuch vorzubereiten. Der Plan (Showdown am Wochenende) kam wahrscheinlich aus dem Weißen Haus, am 23. Februar von den USA gelieferte Hilfsgüter über die Grenze nach Venezuela zu bringen, weil dort Menschen hungern und sterben. Guaidó hatte aufgerufen, dass die Venezolaner massenhaft an die Grenze kommen sollten, in Kolumbien stellten sich auch einige Regierungschefs auf. Aber es kamen, auch aufgrund von Straßensperren, nicht viele Venezolaner, nur wenige Soldaten liefen über, Maduro ließ die Grenzen sperren, es kam auch kaum zu Ausschreitungen, die man wohl provozieren wollte (Putschversuch vorerst gescheitert).
Der nächste Coup war die Wiedereinreise von Guaidó nach Venezuela, der eigentlich, weil er seine Auflagen verletzt hatte, hätte festgenommen werden müssen. Die US-Regierung hatte aber schon klargemacht, dass die Maduro-Regierung mit ernsten Konsequenzen rechnen müsse, wenn sie gegen Guaidó vorgeht, obgleich dieser zum Regierungssturz aufrief und auch ankündigte, eine militärische Intervention vom Ausland zu unterstützen. Zum Schutz von Guaidó, der wieder einma Massendemonstrationen zu mobilisieren versuchte, um einen Tag der Entscheidung herbeizuführen, hatten sich einige Botschafter, auch der deutsche, an den Flugplatz begeben. Sein durch die Eskorte geschützter Auftritt in Caracas am 4. März verpuffte (Maduro lässt Guaidó ins Leere laufen).
Coup 3? Blackouts in Venezuela
Kurz darauf begann die weitgehend zentrale, an einem einzigen riesigen Wasserkraftwerk hängende Stromversorgung des Landes zusammenzubrechen. Immer wieder kam es zu auch längeren Stromfällen, die fast das gesamte Land lahmlegten. Wieder in Koordination versuchten Guaidó und die US-Regierung die Stromausfälle und das ausbrechende Chaos zu nutzen, um gegen die Maduro-Regierung zu mobilisieren (Blackout in Venezuela: Sabotage oder heruntergewirtschaftete Infrastruktur?). Krankenhäuser kamen in Bedrängnis, die Trinkwasserversorgung brach ebenso zusammen wie die Lebensmittelversorgung, weil Vorräte in Kühltruhen auftauten, U-Bahnen gingen nicht mehr, auch Benzin wurde rar, Geschäfte blieben ebenso geschlossen wie Schulen, Behörden und Betriebe.
Die Opposition und Washington machten die Korruption und die marode Infrastruktur dafür verantwortlich, weswegen der Regierungssturz dringend erforderlich sei, die Maduro-Regierung sprach von einem von den USA ausgehendem Cyberangriff, Sabotage und Brandanschlägen. Wirklich unabhängig aufgeklärt sind die Vorfälle nicht, aber jetzt scheint die Versorgung wiederhergestellt zu sein. Guaidó hatte wieder zu Massenprotesten aufgerufen, aber auch diese gewannen nicht an Kraft, um der Regierung gefährlich zu werden. Diese wiederum leitete Ermittlungen gegen die vermeintlichen Verantwortlichen ein.
Guaidó rief seine Anhänger weiter auf, auf die Straßen zu gehen, die US-Regierung drohte immer mal wieder mit einer Intervention und verschärfte die Sanktionen, die Maduro-Regierung sprach von der Bekämpfung einer Terrorzelle, die für die Angriffe auf die Stromversorgung verantwortlich sei. Am 10. April ereignete sich der vorläufig letzte große Blackout. Zur Sicherheit wurde der Strom rationiert.
Coup 4: Empfang im Weißen Haus und Operacion Libertad
Im Weißen Haus dürfte sich die Hoffnung auf einen baldigen Regierungsumsturz gedämpft haben, weswegen man, um Guaidó und die Opposition zu stützen, dessen Frau Fabiana Rosales (als "First Lady" tituliert) zum Präsidenten einlud, wo um sie und die Frau des wegen Terrorverdachts festgenommenen Guaidó-Vertrauten Marrera am 27. März großes Trara gemacht wurde. Die wichtigen Personen neben Trump, seine Tochter, der Vizepräsident, der Außenminister und der Sicherheitsberater traten mit den beiden Frauen zusammen auf. Hintergrund war ein neuer Plan, die Operacion Libertad, die nun finale Mobilisierung, die Anfang April gestartet wurde. Geplant war, dass überall und auf jeder Ebene Aktionszentren eingerichtet und dann ab Anfang April mit taktischen Aktionen begonnen werden sollte (Guaidó bereitet Umsturzplan vor).
Obgleich immer wieder beteuert wurde, dass Maduro das Volk verhungern lassen wolle, kam es nicht nur zu Hilfslieferungen aus Russland und China, sondern schließlich auch vom Roten Kreuz, das sich verbat, dass die Hilfe politisch instrumentalisiert wird. Ein herber Rückschlag für die Taktik Washingtons. Dort wird aber gebetsmühlenartig weiter gesagt, Maduro halte Lebensmittel und Medizin zurück.
Am 30. April rief dann Guaidó nach vielen weiteren Mobilisierungen die "letzte Phase" der Operacion Libertad zum Sturz der Regierung aus. Es hatten sich ihm einige Soldaten angeschlossen, zuvor war sein Mentor Lopez wohl von Mitgliedern des Geheimdienstes befreit worden (Opposition im Putschversuch). Nachdem sich herausstellte, dass ein militärischer Flugplatz in Caracas nicht gestürmt war und dass sich auch das Militär nicht anschloss, versuchte die US-Regierung durch Verbreitung von Gerüchten noch die Maduro-Regierung zu spalten, was aber auch nicht gelang (Venezuela im Nebel der Desinformation und Propaganda).
Währenddessen suchte Lopez, der offensichtlich nicht an den Umsturz glaubte, noch am 30. April Schutz zuerst in der chilenischen und dann in der spanischen Botschaft. An den Protesten am 1. Mai nahmen nach dem gescheiterten Putsch vom Vortag zwar viele Menschen teil, aber die Regierung kam offensichtlich nicht ins Wanken, auch wenn der Geheimdienstchef Manuel Ricardo Cristopher Figuera übergelaufen zu sein scheint (Überraschungscoup von Guaidó scheint gescheitert zu sein). Guaidó versucht nun, einen Generalstreik zu organisieren, Trump warnt, es würde in den nächsten Wochen in Venezuela viel passieren.