Wird und will China Portugal und Spanien und den Euro retten?
China steigt stärker in Staatsanleihen der Länder auf der Iberischen Halbinsel ein, doch das wird steigende Zinsen nicht verhindern
Die Volksrepublik hat angekündigt, weiter Staatsanleihen von europäischen Krisenländern wie Portugal und Spanien zu kaufen. Doch das hat nichts daran geändert, dass die Zinsen für portugiesische Papiere auf einen neuen Rekordwert gestiegen sind. Der Test am Mittwoch hat viel eher deutlich gemacht, dass wohl auch dieses Land bald den EU-Rettungsschirm in Anspruch nehmen muss. Alle schönen Worte, auch die aus Peking, prallen an den Märkten ab. Anhand der Entwicklung wird es wohl auch Spanien wenig helfen, wenn China auch stärker in spanische Anleihen einsteigen will. Ohnehin steht für China weniger die Hilfe im Vordergrund, sondern das Land verfolgt eine ganz eigene Strategie und zudem verspricht die EU-Absicherung dem Reich der Mitte angesichts hoher Zinsen ein gutes Geschäft.
Portugal hat am Mittwoch einen Test an den Finanzmärkten gewagt und zaghaft Staatsanleihen im Umfang von 500 Millionen Euro versteigert. Man könnte es wieder einmal als positives Zeichen werten, dass das Land seine Anleihen überhaupt losgeworden ist. Doch die Zinsen, die geboten werden mussten, weisen eher auf einen baldigen Gang unter den EU-Rettungsschirm hin. So war das auch im vergangenen April, kurz bevor das Rettungsnetz unter Griechenland aufgespannt werden musste (Irland kriecht unter den EU-Rettungsschirm).
Tatsächlich ist es dramatisch, wenn das Land für seine Anleihen mit einer Laufzeit von nur sechs Monaten schon fast 3,7 % Zinsen zahlen musste, so viel wie noch nie seit der Einführung des Euro. Das klingt vielleicht für den unbedarften Leser nicht so schlimm, wenn man diesen Zinssatz mit dem vergleicht, der üblicherweise für das Überziehen des eigenen Girokontos hingelegt werden muss. Aber schaut man sich die Zinsentwicklung an, wird klar, dass sich der Zinssatz in 12 Monaten vervielfacht hat. Portugal musste bei einer vergleichbaren Auktion noch im vergangenen September etwa 2% bieten, also hat sich der Zinssatz seither fast verdoppelt. Doch endgültig wird die fatale Dynamik deutlich, wenn man sich die Entwicklung in den letzten 12 Monaten anschaut. Denn als die Stimmungsmache gegen das kleine Land begann und es ohne reale Gründe in einem Atemzug mit dem abstürzenden Griechenland genannt wurde, zahlte das Land nicht einmal 0,6% für seine sechsmonatigen Anleihen, obwohl die Zinsen schon damals gestiegen waren.
Das Trommelfeuer, mit dem das Land sturmreif geschossen wird – auch durch die ständigen Abwertungen seiner Bonität durch die Ratingagenturen – zeigt also eine immer deutlichere Wirkung. Die Irland-Krise und die Steilvorlage der Bundeskanzlerin Angela Merkel haben ebenfalls einen Anteil am zu beobachten portugiesischen Absturz (Die Angst vor Staatspleiten wächst). Die verschiedenen Ebenen spielen zusammen, damit die selbsterfüllende Prophezeiung von Moody's, Fitch und Standard & Poor's (S&P) auch in Portugal eintreten kann und das Land in die Pleite abschmiert.
Kurz nachgerechnet
Allein für diese neue Anleihe vom Mittwoch werden bis Juli Zinsen in einer Höhe von fast 9,25 Millionen Euro fällig. Noch vor einem Jahr waren es dagegen nicht einmal 1,5 Millionen Euro. Statt 1,5 Millionen fehlen plötzlich 9,25 Millionen im Haushalt 2011, die weder investiert noch für Sozialleistungen oder anderes ausgegeben werden können. So muss Portugal dann im Juli schon mehr als 509 Millionen Euro zur Refinanzierung dieser Schuld an den Märkten leihen. So wird deutlich, wie die Zinsfalle zuschlägt.
Man muss aber im Sinn behalten, dass es sich dabei nur um die Zinsen für einen winzigen Teil der Staatsschulden handelt. Denn die Gesamtverschuldung des Landes liegt bei über 130 Milliarden Euro. Bei der Rendite vom Mittwoch fiele also für das Land im Jahr eine Zinslast von etwa 5 Milliarden Euro an. Damit wird genau das allein an Zinsen fällig, was Portugal über das zweite Sparpaket einsparen und an Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen einnehmen will. Bedenkt man dann noch, dass die portugiesischen Papiere mit einer zehnjährigen Laufzeit schon mit 6,4% gehandelt werden, also sogar fast doppelt so hoch, wird deutlich, dass die Zinslast schneller steigt, als das Geld im Haushalt eingespart werden kann.
Zudem würgen die Sparprogramme die ohnehin schwache Konjunktur ab. Und das führt wieder zu Mindereinnahmen bei Steuern und zugleich zu Mehrausgaben für Sozialleistungen, weil zum Beispiel die Arbeitslosigkeit weiter steigt, die inzwischen schon bei 11% liegt. Deshalb kann getrost von einem Rezept für ein Desaster gesprochen werden. Die Chancen steigen somit deutlich an, dass wegen der ökonomischen Verflechtungen mit Spanien auch das viertgrößte Euroland bald in arge Bedrängnis kommen dürfte.
Und natürlich kann die Zinslast für Portugal noch weiter steigen. Inzwischen ist das Land allerdings schon fast in den Bereich katapultiert worden, der eine Nothilfe notwendig macht. Mit 6,7% lagen die Zinsen für zehnjährige Anleihen der Griechen nur knapp über denen Portugals derzeit, als über dem Land im April ein Rettungsschirm aufgespannt wurde. Kurz bevor Irland wegen der Bankenrettung den neuen EU-Rettungsschirm in Anspruch nehmen musste, war die Rendite auf 7% gestiegen.
Der rote Retter?
Vor dem Test mit der Versteigerung der portugiesischen Staatsanleihen wurde lauthals verkündet, dass China etwa 5 Milliarden Euro in portugiesische Anleihen stecken will. Insgesamt braucht Lissabon in diesem Jahr gut 20 Milliarden Euro. Das Land muss im April 4,5 Milliarden und im Juni weitere 5 Milliarden Euro an Schulden bedienen. Das heißt, alte Kredite müssen mit neuen Krediten bezahlt werden, die aber deutlich teurer werden. Und dazu kommen 11 Milliarden Euro, die erneut als Lücke im Haushalt klaffen werden. Da sollte man meinen, dass die Ankündigung Chinas, davon etwa 25% aufbringen zu wollen, beruhigend wirken würde. Hat sie wahrscheinlich auch, sonst hätte Portugal wohl am Mittwoch noch höhere Zinsen zahlen müssen. Dass aber trotzdem ein neuer Rekordzins erreicht wurde, zeigt zugleich, dass sich der eingeleitete Vorgang trotz der Zusagen aus China wohl kaum noch aufhalten lässt.
Und wenn Portugal stürzt, wird es für den größeren Nachbarn wirklich eng. Und die sechs Milliarden Euro, die China zusätzlich in spanische Staatsanleihen investieren will, werden das große Land sicher nicht vor dem Absturz retten. Denn auch hier zeigt sich auch in abgeschwächter Form das, was an Portugal schon exekutiert. Tatsächlich dürfte Portugal ohnehin nur der Hebel sein, um Spanien in die Knie zu zwingen und damit dem Euro einen harten Schlag zu versetzen. Deshalb wird längst an neuen Notmaßnahmen gebastelt und die Europäische Zentralbank (EZB) mit viel Geld ausgestattet, damit sie den Tabubruch ausweiten und noch mehr Staatsanleihen kaufen kann (Wie ein Krisenmechanismus zum Normalzustand mutiert).
Es wird sogar schon der Fall durchgespielt, dass auch Italien im Strudel mitgerissen wird. Die seit vielen Jahren tickende Zeitbombe schiebt mit fast 2 Billionen Euro den größten Schuldenberg in Europa vor sich her. Zur Schuldenkrise kommt nun auch noch eine veritable Staatskrise hinzu. Ganz ähnlich, was Schuldenstand und Staatskrise angeht, ist übrigens auch die Lage in Belgien. Die Euro-Krise könnte über das Land weit in den Norden vordringen, wenn Spekulanten dem Land zuwenden, wie der belgische Finanzminister längst befürchtet.
Zwar geht es in Spanien nicht um derartig hohe Summen wie in Italien, doch auch das Land braucht 2011 reichlich Geld und steht angesichts der Arbeitslosigkeit von über 4,1 Millionen und einer Quote von schon 21% vor nahezu unlösbaren Aufgaben. Angesichts des harten Sparkurses, den die Regierung inzwischen eingeschlagen hat, ist ein Rückfall in die Rezession zu erwarten. Neben alten Schulden, die Spanien im laufenden Jahr ebenfalls deutlich teuerer refinanzieren muss, kommt wegen des Haushaltsdefizits ein Betrag von mindestens 63 Milliarden Euro hinzu. Dazu muss man aber glauben, dass es der Regierung gelingt, ihr Ziel einzuhalten, das Defizit 2011 auf 6,3% zu drücken.
Auch wenn nun sogar das Sozialgeld gestrichen wird, könnten die neuen Schulden 2011 höher als erhofft ausfallen. Zunächst sollte man abwarten, ob Spanien es auch nur geschafft hat, das von 11,1% im Vorjahr 2010 auf ohnehin noch sehr hohe 9,3% zu drücken. Zweifel sind schon wegen der Schulden der Regionen berechtigt. Gerade hat die neue Regierung in Katalonien Milliardenlöcher der alten Regierung aufgedeckt. Statt des erwarteten Defizits von 4,7 Milliarden, haben die Genossen von José Rodriguez Zapatero Sozialisten (PSOE) den christdemokratischen Nationalisten (CiU) nach der Wahlschlappe ein Loch von mindestens 7 Milliarden hinterlassen.
Es gefällt Zapatero, dass er vom Chinesen Li Keqiang gerade gelobt wurde, denn Chinas Vizeministerpräsident hat Charme-Offensive in Europa verstärkt und ist zum gefragten Kolumnisten geworden. "Wir haben Vertrauen in Spaniens Finanzmarkt", schrieb Li zum Beispiel in einem Beitrag für die größte spanische Tageszeitung "El País", die Zapatero sehr nahe steht. Er ließ die Möglichkeit nicht ungenutzt, um dem "spanischen Volk die Zärtlichkeit und den guten Willen des chinesischen Volks zu übermitteln, die Kooperation zu vertiefen." Der chinesische Führer erklärte, man werde alle denkbaren Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu prüfen.
"China unterstützt die von Spanien getroffenen Maßnahmen zur ökonomischen und finanziellen Anpassung in der festen Überzeugung, dass die allgemeine wirtschaftliche Erholung gelingen wird", schrieb Li in dem Beitrag. China sei ein "langfristiger verantwortlicher Investor auf dem europäischen Markt und auf dem spanischen im Besonderen", betonte er. Man habe bisher schon Staatsanleihen von Spanien und die anderer Länder gekauft und man werde damit auch in der Zukunft fortfahren, kündigte er an. Tatsächlich, so wird geschätzt, befinden sich schon jetzt etwa ein Zehntel der spanischen Anleihen in chinesischer Hand.
Doch die sechs Milliarden Euro, die nun im Gespräch sind, sind keine reale Entlastung. Ohnehin sollte man die schönen Worte aus der diplomatischen Trickkiste nicht auf die Goldwaage legen. Auch sein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung klang sehr ähnlich, den er dort vor seinem dreitägigen Deutschland-Besuch veröffentlich hat, der am späten Donnerstag begonnen hat. Darin hob er auf die "Philosophen, Wissenschaftler und Musiker" genauso ab, wie auf den "Fleiß und Weisheit der Deutschen, die die Bewunderung der Chinesen genießen". Beliebtheit erfreue sich "Made in Germany" in der Volksrepublik großer Beliebtheit bei den Konsumenten wegen "hoher Qualität, vorzüglicher Technik und Innovation."
Hinweise zu Fleiß und Weisheit fehlten im Beitrag zu Spanien. Sollte Zapatero nun also beleidigt sein? Manchmal ist entscheidend, was nicht gesagt wird. Manchmal ist aber auch bedeutsam, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Während Li Spanien auf die steigende Abhängigkeit von den Milliarden aus China aufmerksam gemacht hat, wies er Berlin darauf hin, dass Deutschland sein Exportwunder vor allem dem Reich der Mitte zu verdanken hat. "China ist nun auch zum ersten Mal größtes Herkunftsland für den deutschen Import", schrieb er.
China ist kein Weißer Ritter
Wer glaubt, dass es China vor allem darum geht, als Retter Europas in der Euro-Krise aufzutreten, liegt falsch. Ebenso falsch ist es aber auch zu glauben, dass aus Chinas Einkaufstour schnell neue Abhängigkeiten drohen (China kauft sich in Europa ein). Allerdings ist zu beobachten, wie sich der stärkere Einfluss der Volksrepublik längst politisch niederschlägt. So war es auffällig, dass vor dem letzten G-20-Gipfel in Seoul die Bundeskanzlerin deutlich lobende Worte für China fand. Merkel schloss sich sogar der Kritik an der ratlosen Geldpolitik der USA an (US-Geldpolitik schürt große Ängste).
Letztlich verfolgt China seinen ganz eigenen Weg. Das Reich der Mitte richtet sich in schlicht in seiner Rolle als aufsteigende Weltmacht ein, die sich auch im Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank manifestiert. Vor allem stehen hinter den Vorgängen auch Notwendigkeiten, denn Peking schichtet zum Beispiel seine Devisenreserven um. 2,65 Billionen Dollar hat das Land angehäuft und der größte Teil davon wird weiterhin in Dollar gehalten. Langsam aber immer deutlicher dreht China nun den USA den Geldhahn bei Staatsanleihen ab. Denn China fürchtet sich angesichts der ungebremsten Geldschwemme in den USA vor einem Verfall des Dollars. Schon deshalb kauft sich das Land verstärkt in Europa ein, um sein Geld breiter zu streuen.
Europa soll in Zukunft einer der wichtigsten Märkte für Investition der chinesischen Rücklagen sein. Und der Kauf von Staatsanleihen ist es angesichts der hohen Zinsen für Anleihen der Krisenländer zudem ein sehr gutes Geschäft für die Volksrepublik. Hohe Renditen werden erzielt, obwohl die EU wenigstens bis 2013 mit einem Rundum-Sorglos vollständig für diese Schulden einsteht. Man wird sich anschauen müssen, ob China auch danach noch bereit ist, sein Geld in Griechenland und andere Länder zu investieren, wenn es an einer Staatsinsolvenz beteiligt werden würde.
Vor allem trachtet China danach, die Vorherrschaft des Dollar aufzubrechen. Deshalb wird der Dollar im bilateralen Handel mit anderen Ländern durch die Landeswährungen ersetzt. Neuerdings wird auch der Handel zwischen China und Russland direkt in Rubel und Yuan abgerechnet. Das Modell soll auf die übrigen aufstrebenden BRIC-Staaten Brasilien und Indien ausgeweitet werden. Immer deutlicher bringt China auch sein "Volksgeld" (Renminbi, die Einheit heißt Yuan) gegenüber dem Dollar in Stellung, was ebenfalls ein Angriff auf den Dollar als Leitwährung ist. Die Stützung des Euro durch China kann also auch in diesem Zusammenhang verstanden werden.