EU-Verteidigung: Deutschland zahlt, aber bremst bei Eurobonds

Die EU wird zur Militär-Union. Bild: Jacek Wojnarowski/ Shutterstock.com
Deutschland überweise weitere elf Milliarden Euro an die Ukraine. Einigkeit auch bei Rüstungsplänen. Doch interne Papiere zeigen: Bei der Finanzierung droht neuer Streit.
Schon im Vorfeld des heutigen EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs hatte die noch kommissarisch amtierende Bundesregierung Deutschlands angekündigt, weitere drei Milliarden Euro finanzielle Unterstützung für die Ukraine freizugeben.
Neben diesen drei Milliarden Euro soll der Haushaltsausschuss des Bundestags weitere gut acht Milliarden Euro für die Folgejahre bewilligen. Über diese Zahlungen hatte es in der zerbrochenen Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP lange Streit gegeben.
In Brüssel hingegen war bei internen Vorbereitungsrunden eine breite Unterstützung für die Ukraine deutlich geworden. Mehrere Länder, darunter Tschechien, Finnland, Schweden und die Niederlande, begrüßten demnach die Initiative der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas für einen verstärkten Beistand für die Ukraine. Italien und Malta betonten jedoch, dass es sich um eine freiwillige Initiative handeln sollte, berichten beteiligte Diplomaten.
Debatte über Finanzierung der europäischen Verteidigung
Protokolle der Vorbereitungstreffen geben weiteren Einblick in die Debatten über die Finanzierung der ehrgeizigen Verteidigungspläne der EU. Während Finnland sich für eine schnelle Umsetzung der ReArm-Initiative aussprach, einem EU-weiten Aufrüstungsprogramm, warben die baltischen Staaten für die Prüfung weiterer Finanzierungsinstrumente wie Darlehen und Finanzhilfen.
Die Niederlande lehnten zusätzliche Finanzierungsinstrumente jedoch ab und verwiesen auf mögliche Probleme in ihrem nationalen Parlament.
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Deutschlands Vertreter in Brüssel, Botschafter Michael Clauß, bat Anfang der Woche bei der Debatte der EU-Mitgliedstaaten um Zeit. Die Vorschläge der Kommission zum Weißbuch und ReArm müssten erst einmal vorliegen. In einem Punkt aber wurde der Karrierediplomat Deutschlands deutlich: Deutschland lehne die Ausgabe gemeinsamer europäischer Anleihen, sogenannter Eurobonds, zur Finanzierung der Neuverschuldung ab.
Zuvor hatten mehrere Staaten solche Anlagen eingefordert, um die anstehenden Rüstungsprogramme und die damit verbundene Verschuldung finanzieren zu können. Clauß hielt dagegen: Mit Bürokratieabbau und beschleunigten Verfahren könne die Wettbewerbsfähigkeit im Verteidigungssektor der Europäischen Union verbessert werden, ohne die Staatsschulden weiter zu erhöhen.
Deutschland koordiniert Projekte zur militärischen Mobilität
Die diplomatischen Dokumente, die Telepolis einsehen konnte, verdeutlichen auch Deutschlands aktive Rolle bei dem Ausbau der militärischen Mobilität und Verteidigungsfähigkeiten innerhalb der EU. Deutschland koordiniert demnach mehrere Projekte im Rahmen der Ständigen strukturierten Zusammenarbeit (Pesco), darunter ein Projekt zur Verbesserung der militärischen Mobilität, das gemeinsam mit den Niederlanden geleitet wird.
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Weitere Pesco-Projekte unter deutscher Führung umfassen die Bereitstellung geografischer und meteorologischer Informationen (GeoMETOC) sowie die Entwicklung und Nutzung der Eurodrohne.
Zudem wurden unter führender deutscher Beteiligung ein Projekt zur Koordination der Ausbildung von Soldaten für EU-Trainingsmissionen, der Aufbau eines Europäischen Sanitätskommandos (EMC) und ein Projekt zur Verbesserung der Krisenreaktionsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten (Eufor Croc) erfolgreich abgeschlossen, betonte Clauß.
EU strebt nach strategischer Autonomie
Die EU-Protokolle aus den Tagen vor dem heutigen Gipfeltreffen zeichnen das Bild einer EU, die sich angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen von Grund auf neu aufstellt. Ihr militärisches Gewicht soll erhöht und mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernommen werden.
Mit dem Weißbuch zur Verteidigung und dem ReArm-Plan hat die Kommission ehrgeizige Ziele formuliert. In welchem Maße die milliardenschweren Rüstungsprogramme in den Mitgliedstaaten durchgesetzt werden können, kann bislang niemand mit Sicherheit sagen. Die Protokolle jedenfalls zeigen, dass die Vorbehalte wachsen.
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Deutschland tritt auf diplomatischem Parkett bislang selbstbewusst auf. Mit 500 Milliarden Euro Kreditermächtigung durch den Bundestag ist das verständlich. Aber ist es damit getan? Die Schuldenbremse im Grundgesetz (Art. 109 GG) setzte der Neuverschuldung bis zu dieser Woche enge Grenzen.
Die USA haben sich in den vergangenen Wochen aus vielen gemeinsamen Strukturen zurückgezogen, vom geologischen Monitoring bis zu Programmen der Entwicklungszusammenarbeit. Es ist zu befürchten, dass die Milliardenpakete, die jetzt geschnürt werden, den Bedarf nicht einmal ansatzweise decken.
Die Debatte über die Finanzierung der europäischen Verteidigung dürfte auch im Deutschen Bundestag für Kontroversen sorgen. Während Teile der Union und der SPD die Pläne der Kommission unterstützen, meldeten sich bereits kritische Stimmen aus der AfD und der Linken zu Wort. Sahra Wagenknecht warnte: "Ohne eine Rückkehr zur Entspannungspolitik und eine vernünftige Außenwirtschaftspolitik wird unser Land absteigen, werden Wohlstand und Arbeitsplätze vernichtet und soziale Konflikte verschärft."
Das Finanzpaket eröffne "eine Perspektive für unser Land, die in der Zeit, in der wir heute leben, dringend geboten ist", hielt Friedrich Merz (CDU) dagegen. Die halbe Billion Euro sei "der erste große Schritt hin zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft". Seine Fraktion könne die nötigen Grundgesetzänderungen "mit gutem Gewissen beschließen".
Das letzte Wort hat in Deutschland das Bundesverfassungsgericht. Dort sind Teile von Beschwerden der Opposition anhängig, die beklagen, dass die Abgeordneten nicht hinreichend Zeit gehabt hätten, das Milliardenpaket zu prüfen.