Sabotage in Ostsee: So versagt die EU beim Kampf gegen Moskaus Schattenflotte
Finnland hat einen verdächtigen Öltanker gestoppt. Das Schiff soll ein Unterwasserkabel beschädigt haben. Brüssel ringt indes um eine einheitliche Linie.
Die russische "Schattenflotte" sorgt erneut für Aufsehen: Ende der Woche haben finnische Behörden den Öltanker "Eagle S" festgesetzt. Das unter der Flagge der Cookinseln fahrende Schiff steht im Verdacht, ein Unterwasserstromkabel zwischen Finnland und Estland beschädigt zu haben. Finnische Beamte vermuten, dass die "Eagle S" zu Russlands sogenannter Schattenflotte gehört, die Moskau nutzt, um Sanktionen zu umgehen. Diese "Schatten-Tanker" dienen dazu, russisches Öl unter dem Radar zu transportieren.
"Wir ermitteln wegen schwerer Sabotage", zitiert die BBC Robin Lardot, den Direktor des finnischen Bundeskriminalamts.
Der Vorfall reiht sich ein in eine Serie von Schäden an Unterwasserkabeln in der Ostsee in den vergangenen Monaten. Erst im November wurden zwei Glasfaserkabel zwischen Finnland, Schweden und Deutschland gekappt. Der Verdacht der Sabotage steht im Raum.
Russlands Schattenflotte als Sicherheitsrisiko
Estlands Außenminister Margus Tsahkna warnte, die Beschädigungen an der kritischen Unterwasser-Infrastruktur in der Ostsee häuften sich in einem erheblichen Maße. Dies schüre Zweifel daran, dass es sich um Zufälle oder menschliches Versagen handele.
"Wir müssen verstehen, dass die Schäden an der Unterwasser-Infrastruktur systematischer werden und daher als Angriffe auf unsere lebenswichtigen Strukturen angesehen werden müssen", mahnte Tsahkna.
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Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) prangerte zudem die von Russland genutzte Schattenflotte an: "Sie wird von Russland genutzt, um seinen illegalen Angriffskrieg in der Ukraine zu finanzieren."
Über 50 dieser Schiffe unterliegen bereits EU-Sanktionen, betonte Baerbock. Sie forderte ein härteres Vorgehen gegen die russische Schattenflotte und mehr Investitionen in die nationale Sicherheit der EU-Staaten.
EU und Nato alarmiert
Die Europäische Union und die Nato zeigten sich nach dem jüngsten Zwischenfall alarmiert und kündigten Konsequenzen an. "Wir verurteilen jede vorsätzliche Zerstörung der kritischen Infrastruktur Europas aufs Schärfste", erklärten die EU-Kommission und die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in einer gemeinsamen Erklärung. Man werde die Bemühungen zum Schutz der Unterwasserkabel verstärken.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte sicherte den betroffenen Mitgliedsstaaten Finnland und Estland Unterstützung zu. Die Nato werde ihre Militärpräsenz in der Ostsee erhöhen. "Die Nato steht solidarisch zu den Verbündeten und verurteilt jeden Angriff auf kritische Infrastruktur", betonte Rutte.
Risse in der Sanktionsfront
Trotz aller Forderungen, Kritik und Solidaritätsbekundungen hat die Russland-Sanktionspolitik – auch gegen Moskaus Schattenflotte – zuletzt zu wachsenden Spannungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten geführt. Deutschland drängt hinter den Kulissen auf härtere Maßnahmen, stößt aber auf Widerstand.
EU-Diplomaten bestätigen, dass Deutschland die Aufnahme von zwei weiteren Personen sowie eines Unternehmens auf die Sanktionsliste forderte – und damit bei den Verhandlungen um das jüngste, fünfzehnte Sanktionspaket scheiterte.
"Bedauern Streichung zweier Namen von der Sanktionsliste", heißt es dazu in einem internen Dokument, das Telepolis vorliegt. "Beide Personen gehören unserer Meinung nach auf die Liste!" Besonders brisant: Bei einer der Personen soll es sich um einen aktiven Finanzier von Söldnergruppen handeln.
Nach Telepolis-Recherchen in Brüssel handelt es sich bei einer der beiden Personen um Sergei Gordeev. Der russische Milliardär war lange CEO der PIK Group, einer führenden Immobilienfirma in Russland. Er gründete 1995 Rosbuilding und 2007 Horus Capital. Von 2005 bis 2010 war er Mitglied des Föderationsrates und engagierte sich in der Kulturkommission.
In den USA steht er auf einer Sanktionsliste. Dort heißt es, er kontrolliere Unternehmen, "die dem russischen Verteidigungsministerium finanzielle und organisatorische Unterstützung bei der Rekrutierung von Soldaten" für den Krieg in der Ukraine leisten.
Auch die Forderung Deutschlands nach schärferem Vorgehen gegen die russische "Schattenflotte" zum Umgehen von Ölsanktionen blieb weitgehend ungehört. Hier scheiterte Berlin am Widerstand osteuropäischer Staaten, die eine zu starke Belastung ihrer Wirtschaft durch den Importstopp für russisches Öl fürchten. So wurden zwar Vertreter des Tankerkonzerns Rosnefteflot sanktioniert, nicht aber das Unternehmen selbst. Eine klare Niederlage für das Auswärtige Amt.
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Wie beteiligte Diplomaten berichten, hatte Deutschland innerhalb der EU-Strukturen intensiv versucht, Verbündete für seine Sanktionslinie zu gewinnen. So wurde an die Mitgliedstaaten "appelliert", ihre "roten Linien bei Listungen immer wieder kritisch zu überprüfen." Auch verwiesen deutsche Vertreter darauf, dass man selbst bereits Vorbehalte fallen gelassen habe, beispielsweise gegen das Sankionieren bestimmter russischer Unternehmen.
Trotz dieser Bemühungen konnten sich die 27 EU-Staaten letztlich nur auf ein abgespecktes 15. Sanktionspaket einigen. Uneinigkeit herrscht auch beim Umgang mit immobilisierten russischen Vermögenswerten. Während Länder wie Estland, Lettland und Finnland eine Beschlagnahmung fordern, um damit den ukrainischen Wiederaufbau zu finanzieren, stellte sich Deutschland gemeinsam mit Frankreich, Belgien und Luxemburg dagegen. Grund dafür sind erhebliche rechtliche Bedenken gegen ein solches Vorgehen.
Die internen Dokumente legen nahe, dass der nach außen demonstrierte Zusammenhalt der Europäer in der Sanktionspolitik bröckelt. Die für Deutschland schmerzhaftesten Zugeständnisse sind Verlängerungen von Übergangsfristen und Ausnahmen für den Ölsektor. So werden Altverträge vorerst vom Importstopp ausgenommen und der Handel mit Vakuumgasöl bleibt erlaubt – beides füllt weiter Putins Kassen.