Wie der neue Kalte Krieg den Journalismus zerstört
Von Youtube-Sperren, Koalitionsverhandlungen und Polizeigewalt. Die Telepolis-Wochenrückschau mit Ausblick
Liebe Leserinnen und Leser,
als Griechenland-Korrespondent Wassilis Aswestopoulos uns Ende Mai einen Beitrag über den Pharmaunternehmer Dimitris Giannakopoulos anbot, haben wir das Thema gerne angenommen. Giannakopoulos hatte sich als Vertreter der Gesundheitsbranche kurz zuvor öffentlich gegen Corona-Impfungen ausgesprochen; der Fall war daher nicht nur skurril, sondern hatte auch Nachrichtenwert. Kollege Aswestopoulos schrieb die Story mit Quellenverweisen auf zwei etablierte griechische Nachrichtenportale auf, Athens Voice und To Pontiki.
In der vergangenen Woche ist der Bericht gesperrt und mit harten Sanktionen versehen worden. Allerdings nicht bei Telepolis, sondern bei dem russischen Auslandssender RT DE, der das Thema mit Verweis auf unseren Text aufgegriffen hatte.
Der für Youtube eingelesene Artikel von RT DE wurde von der Videoplattform als "Covid Misinformation" eingestuft und mit einer umfassenden Sperre versehen.
Telepolis hat die Sanktion gegen zwei RT DE-Kanäle auf Youtube in mehreren Beiträgen verfolgt und nachrecherchiert. Wichtigste Erkenntnis: Bislang ist völlig unklar, wie Youtube bzw. der US-Mutterkonzern Google die umfassende Sperre der Channels und den Ausschluss des russischen Medienangebots begründet. Auch auf Nachfrage erhielt Telepolis keine Erklärung.
Wird also auch unsere Meldung gesperrt? Oder die geposteten Artikel von athensvoice.gr und topontiki.gr? Weshalb nicht? Wo ist der Unterschied?
Dass die Sperre von Youtube von etablierten deutschen Medien fast völlig unhinterfragt blieb, hat viel mit Ideologie und offenbar mit medialer Positionsnahme im neuen Kalten Krieg zu tun.
Man muss kein Fan der Berichterstattung von RT DE sein, um die Maßnahmen kritisch zu sehen. Oder um zu hinterfragen, weshalb Google diesen Medienkrieg auf deutschem und europäischem Boden ausficht und nicht in den USA, wo RT bislang ohne Einschränkungen online ist.
Noch Anfang des Jahres hatte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) – vom Redaktionsnetzwerk Deutschland auf die Abschaltung des Twitter-Accounts von Ex-US-Präsident Donald Trump angesprochen – gesagt: "Ich finde es sehr problematisch, wenn private Unternehmen entscheiden, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht."
Ein halbes Jahr später scheinen Medien und Politik selbst hinter diese Position zurückgefallen zu sein.