Afghanistan, Syrien, Corona: Wer zahlt für all die Krisen?
- Afghanistan, Syrien, Corona: Wer zahlt für all die Krisen?
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Konflikte um die IAA, die Erinnerung an den 11. September 2001 und Syrien. Und natürlich die Corona-Wahl 2021. Die Telepolis-Wochenrückschau mit Ausblick
Liebe Leserinnen und Leser,
die Geschichte wird bekanntlich von den Siegern geschrieben. Aber wer, so musste man am 20. Jahrestag der Terroranschläge in den USA fragen, hat hier gesiegt? Kurz vor dem Gedenken waren die US-Truppen schließlich vollständig und erfolglos aus Afghanistan abgezogen. Was hat der Krieg gegen den Terror also gebracht?
Für Telepolis war das damalige Geschehen und die folgende US-forcierte Regime-Change-Kampagne prägend. Es wurde, so erinnert sich der damalige Telepolis-Chefredakteur Florian Rötzer, "massiv Desinformation von der damaligen US-Regierung mit ihrer 'Koalition der Willigen' betrieben."
Rötzer ist sich sicher: Damit habe die Spaltung der Gesellschaft begonnen und das Misstrauen in Regierungen und Medien eingesetzt.
Im Telepolis-Leitartikel warfen wir mit Blick auf die Jahre seit "9/11" drei Fragen auf: Was haben die Debatten über die zahlreichen Verschwörungstheorien um die Anschläge gebracht, fehlt der Blick auf die brutalen Folgen des angeblichen Krieges gegen den Terrorismus und wie können die Interessen hinter weltgeschichtlichen Zäsuren erkannt werden?
In seinem aktuellen Beitrag unsere Partnerseite Krass & Konkret zum Jahrestag beschrieb Florian Rötzer wie der US-Krieg ungebremst weitergeht und selbst weiter in Terror ausartet:
Nach dem Anschlag (…) vor dem Flughafen von Kabul, bei dem 13 US-Soldaten getötet wurden (…), wurde eine bewaffnete Drohne eingesetzt, um einen weiteren Anschlag zu verhindern. Eine Reaper-Rakete wurde auf ein Fahrzeug, das angeblich mit Sprengstoff beladen war, in einem Hinterhof abgefeuert und tötete zehn Zivilisten, darunter sechs Kinder.
Florian Rötzer
Rüdiger Suchsland widmete sich anhand eines neuen Buches des Journalisten Mathias Bröckers der Frage, wie Phänomene wie der angebliche Krieg gegen den Terrorismus bis hin zur Corona-Pandemie für die Ausweitung gesellschaftlicher Kontrolle missbraucht werden können.
Und schließlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, Gerhard Schröders 9/11-Rede im Bundestag noch einmal abzudrucken. Darin: "Ich habe dem amerikanischen Präsidenten (…) die uneingeschränkte – ich betone: die uneingeschränkte – Solidarität Deutschlands zugesichert."
Old-school-Vorschlag aus der Union: Arbeitsdienst
Nach dem kurzen Erinnerungsintermezzo setzte der Wahlkampf wieder ein, nun doch noch etwas dynamischer. Mit dem CDU-Kandidaten Armin Laschet etwa, der die Sozialdemokraten von jeher auf der falschen Seite der Geschichte wähnt. Man fragt sich: Warum dann die wiederkehrenden GroKos?
Dem skurrilsten Wahlkampfvorstoß aus der Union widmeten wir in der vergangenen Woche zwei Texte: Vorgeschlagen wurde die Einführung eines verpflichtenden Arbeitsdienstes für Langzeitarbeitslose. Déjà-vus sind verständlich: Solche Forderungen gibt es wohl vor jeder Wahl.
Bei Sozialverbänden und Gewerkschaften stieß die Idee auf wenig Begeisterung. Bleibt zu hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler die Intention hinter der Initiative von Politikern der CDU, der CSU und der Freier Wähler als Wahlkampfgedöns durchschauen. Arbeitsdienste hat's hierzulande zudem ja schonmal gegeben.
Und natürlich befasste uns die Corona-Pandemie weiterhin. In den USA wollen die Versicherer bei Covid-19-Behandlungen etwa wieder mehr Geld sehen. Covid-19 sei Dank der Impfung "eine großteils vermeidbare Krankheit", zitierte Telepolis-Redakteur Thomas Pany und wirft die Frage auf: "Wer zahlt für die Krise?"
Auch in Deutschland und Österreich steigt der Druck zur Impfung; es drohen teils empfindliche Nachteile. Das geht mit einer immer deutlicheren Rhetorik einher. Wie machten uns mal die Mühe und hörten uns den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), im O-Ton an:
In einer Solidargemeinschaft wächst der Druck, das ist richtig, das kann man nicht wegdiskutieren. Ganz einfach deswegen wächst der Druck, weil eben jeder Nichtgeimpfte in unserem Zusammenleben für andere auch ein Risiko darstellt.
Michael Müller (SPD)
In Österreich verkündete Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die Pandemie sei für die Geimpften vorbei. Die nächste Welle werde "vor allem eine Belastung für die Ungeimpften".
IAA, 4.500 Polizist:innen und eine Union im Sinkflug
In München machte die wie üblich nicht zimperliche CSU-Regierung vor der IAA die Konflikte um die Mobilitätswende sicht- und spürbar: "Die geplanten Protestaktionen haben Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) veranlasst, den größten Polizeieinsatz anzukündigen, den die Landeshauptstadt seit 20 Jahren erlebt hat", berichtete Telepolis-Redakteurin Claudia Wangerin vom Ort des Geschehens: Bis zu 4.500 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz, um einen reibungslosen Ablauf der IAA Mobility sicherzustellen.
Uwe Hiksch von der Organisation NaturFreunde Deutschlands, der die Großdemonstration des Bündnisses #Aussteigen - Mobilitätswende jetzt! Samstag angemeldet hatte, war sich sicher: Mit solchen "Gewaltfantasien" sollten Menschen aus der Mitte der Gesellschaft von der Teilnahme an Demonstrationen abgehalten werden.
Dabei war die Demonstration so angelegt, dass auch Familien mit Kinderwagen und gehbehinderte Menschen teilnehmen konnten.
Die Aktionen der NaturFreunde, Greenpeace, Attac, des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland und des Allgemeine Deutschen Fahrradclubs endeten teilweise tatsächlich in Scharmützeln, wie Telepolis berichtete.
Ob sich die bayerische Landesregierung damit zwei Wochen vor der Bundestagswahl einen Gefallen getan hat, sei dahingestellt. CDU und CSU rutschen laut Umfrageinstitut Forsa zuletzt unter 20 Prozent.
"In Bayern, wo früher '40 oder gar 50 plus Prozent' als Ziel ausgegeben wurde, weisen erste Umfragen auf ein Absacken unter 30 Prozent hin", so mein Kollege Pany.
Bei der Union trete nun ein, was viele vorausgesagt hätten: Wie zuvor die SPD trudelten die Volkspartei CDU "und ihr kleines bayerisches Geschwister" kontinuierlich nach unten. Wann und wo der Fall stoppt, weiß keiner.
Es bleiben nur noch wenige Tage für das "Zukunftsteam" mit Friedrich Merz, um eine Trendwende für den Kandidaten Laschet herbeizuführen. Nur wie, das vermag niemand zu sagen.
Konflikt um OPCW und Syrien: Telepolis bleibt dran
Neben der Wahlberichterstattung, die wir bei Telepolis in den verbleibenden zwei Wochen wie gewohnt aus eigenen Blickwinkeln fortführen werden, gibt es Themen, die einen langen Atem brauchen. Ein solches Thema ist der Konflikt um einen angeblichen Giftgasangriff im syrischen Douma am 7. April 2018. Seit damals verfolgt Telepolis die Debatte über den Untersuchungsbericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).
Dieser Bericht wurde nach Angaben ehemaliger hochrangiger OPCW-Mitarbeiter derart manipuliert, dass sich die Verantwortung der syrischen Armee für einen Gasbombenangriff aus der Luft aufdrängt. Dies würde das Nato-Narrativ unterstützen und die damals umgehend erfolgten Vergeltungsangriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens nachträglich rechtfertigen.
Nun aber musste die BBC eine entsprechende Radioreportage korrigieren. Zentrale Vorwürfe gegen die internen OPCW-Kritiker waren frei erfunden. Die Debatte wird sicherlich auch in Deutschland weitergehen, wo der ehemalige UN-Diplomat Hans-Christof von Sponeck eine Initiative zur Aufklärung der mutmaßlichen OPCW-Manipulation gegründet hat.
Mit internationaler Politik befasste sich auch ein eigener Bericht über die deutsche Fregatte "Bayern", die an der illegal besetzt gehaltenen US-Militärbasis Diego García im Indischen Ozean aufgetankt werden soll. Wie das mit der von Außenminister Heiko Maas (SPD) viel beschworenen "regelbasierten internationale Ordnung" vereinbar ist, bleibt offen.
In die neue Woche geht es weiter mit internationalen Themen. Der russische Botschafter in Deutschland, Sergej J. Netschajew, erklärt heute in einem Gastbeitrag die Position seiner Regierung zur Gasleitung Nord Stream 2 - und reagiert damit indirekt auf eine Wortmeldung seines ukrainischen Amtskollegen Andrij Melnyk in der Tageszeitung Die Welt.
Weiterhin wird es diese Woche um den Wahlkampf gehen, vor allem den Kurs der SPD, die Luca-App und die Unabhängigkeitsbewegung im spanischen Katalonien.
In diesem Sinne, bleiben Sie uns gewogen, Ihr
Harald Neuber